Direkt zum Hauptbereich

Neue böse Wesen und so - Kapitel 22


Schuld

Bunte Farben tanzten vor Lilians Augen. Selbst wenn sie die Augen schloss waren sie noch da. Es waren Halluzinationen die ihre Augen erfanden, nachdem sie schon so lange diesem schwachen Dämmerlicht ausgesetzt gewesen waren.
Mittlerweile hatte sie das Zeitgefühl verloren. 3 Tage, 4 Tage. Sie konnte es nur wage anhand der Mahlzeiten fest machen, wie viel Zeit vergangen war.  Doch nicht einmal die Mahlzeiten, die ihr ab und an gebracht wurden, schienen regelmäßig zu sein.
Die Seher hatten sie nach ihrer Festnahme in der Halle in dieser fensterlosen Kammer eingesperrt, wo die Wände aus kaltem Beton bestanden und die Tür aus dickem Stahl, über dem ein zusätzlicher Zauber hing. Das hatte sie gemerkt, als sie das erste Mal versucht hatte, die Tür zu durchbrechen. Ihr Ihr Arm schmerzte immer noch davon.
In der ersten Zeit, hatte sie noch Pläne geschmiedet, wie sie hier heraus kommen könnte und alles versucht. Mittlerweile hatte Lilian jedoch resigniert. Es gab kein Entkommen. Sie war gefangen. Mit ihren Gedanken alleine im Dämmerlicht.
Während sie auf der kalten Pritsche lag, spielten sich die Szenen in ihrem Kopf immer und immer wieder ab, so sehr sie auch versuchte diese zu verdrängen. Den letzten Blick von Hanna, bevor sie leblos zusammen gebrochen war. So viel Hass hatte darin gelegen. Wie konnte es nur jemals so weit kommen? Wie hatte sie es nicht sehen können? Lilian hätte sie retten können…
Doch stattdessen hatte sie Hanna dem Tod überlassen. Hanna war nur wegen ihr gestorben. Wenn sie es nur etwas früher realisiert hätte, was Hanna vorhatte. Wenn sie nicht so überheblich mit ihr gesprochen hätte. Wenn sie einfach aktiv eingegriffen hätte.
Scheinbar war sie doch nicht mehr, als ein Dämon. Ein Dämon der Unglück über die Menschen bringt, die er liebt. So hatte es Hanna doch gewollt?
Sie hatte zwei Menschen umgebracht. Hanna und Daniel… sie war ein Monster. Vielleicht verdiente sie es weggesperrt zu werden.
Aber warum hatte sie diesen Jungen nicht einfach auch noch umgebracht? Warum hatte sie gezögert? Wieso hatte sie ihn nicht für ein für alle mal erledigt? Er war Schuld, dass Hanna so geworden war. Er hatte ihr das eingeredet.
Es hätte nichts geändert. Es hätte Hanna nicht zurück gebracht. Sie war verloren gewesen, bereits in dem Moment, als sie Lilian überwältigt und betäubt hatte. Mit einem Bein hatte sie bereits in dem Reich der Toten gestanden. Der Hass hatte sie zerfressen und es war Lilians Schuld gewesen.
Lilian legte ihren kalten Arm über die Augen, als sie spürte, wie ihre Augen feucht wurden. Doch die bunten Farben verschwanden nicht. Genauso wenig wie die Gedanken. Sie lauschte in die Stille hinein. Jeden Moment glaubte sie Schritt zu hören. Doch genauso wie die Farben war das nur ein Hirngespinst ihres drögen Kopfes. Sie versuchte sich abzulenken. Sooft waren ihre Gedanken um Hanna gekreist.
Ob es Cornelius genauso ergangen war? Sie hatte ihn seit dem Auftauchen der Seher nicht mehr gesehen. Hockte er in einem genauso dunklen Raum? Sie hatte ihn in diese Situation gebracht. Genauso wie Emil. Wo waren sie? Sie hoffte nur, dass es ihnen gut ging. Besser als ihr.
Was war nur seitdem passiert? Niemand hatte sie bis jetzt geholt. Keine Befragungen. Da stimmt etwas nicht. So lange blieb normalerweise niemand in Gefangenschaft des oberen Rates ohne sich auch nur einer Befragung auszusetzen. Den einzigen Grund, warum es sich hinzog, den Lilian sich ausmalen konnte, war dass sie direkt ihre Erinnerungen durchsuchen wollten. Die Erinnerungen von magischen Wesen zu manipulieren war streng geregelt. Ohne eine Freigabe durch den Rat war dies nicht möglich. Dann würden sie direkt die Wahrheit sehen. Doch Lilian war sich mittlerweile auch sicher, dass diese Verzögerung nichts gutes verhieß. Der Junge war ein Seher gewesen und in wie weit er mit den Oberen vverbandelt war, wusste sie nicht. Was, wenn niemand ihre Erinnerungen sehen würde? Was, wenn die Wahrheit nie ans Licht kommen würde? Er wollte sie sicher einfach hier verrotten lassen. Das hatte er auch geschafft.
Plötzlich stoppte Lilian in ihren Gedanken. Da waren wirklich Schritte.
Elektrisiert richtete sie sich auf, merkte aber auch direkt wie ihr Kreislauf zusammensackte. In ihrem Kopf drehte sich alles, ihr Körper zitterte. Doch mit aller Kraft drückte sie sich auf die Beine und versuchte den pochenden Schmerz im Kopf zu ignorieren. Sie würde nicht kampflos mitgehen. Lilian drückte sich an der Wand neben der Tür. Der Schlüssel wurde gedreht, die magische Barriere schwand. Lilian hielt die Luft an. Dann trat jemand ein.
Ihr Plan ging auf. Einige Zeit schien der Ankömmling in der Tür zur verharren, dass trat er einige Schritte in den Raum hinein. Er war deutlich größer als Lilian. Sie wusste, dass sie wenig Chancen haben würde. Ihr Körper war geschwächt, doch zu ihrem Glück war es ein Mann. Im Zweifel würde sie sich von ihm die nötige Energie holen müssen.
Lilian stürmte vor und schmiss sich mit all ihrem Gewicht in seinen Rücken. Ein Aufschrei. Er stolperte vorwärts und Lilian hastete an ihm vorbei zur Tür.
Eine Hand griff ihren Arm und zog sie zurück. Sie wirbelte herum, schlug mit der freien Faust auf sein Gesicht ein. Er packte ihre Faust und hielt sie fest. Ihr bliebt keine andere Möglichkeit. Lilian öffnete ihre Lippen, um ihre Kräfte zu entfesseln, als sie in der Bewegung erstarrte.
„Rewalt?!“, rief sie erstaunt aus.
„Ich hol dich hier raus.“ Er ließ sie augenblicklich los.
Lilian konnte nicht glauben, was Rewalt ihr gerade sagte. Sie starrte den Mann mit dem nun verzaustem, angegrautem Haar an, der sie früher schon öfter aus brenzlichen Situationen geholt hatte.
„Sie haben gerade Cornelius geholt.“, fuhr Rewalt fort. „Wir haben nicht viel Zeit. Ich bin mir sicher, dass Noah seine Erinnerungen löschen wird. Was wisst ihr, dass sie versuchen zu vertuschen?“
Rewalt ging einen Schritt auf sie zu. Lilian wicht zurück.
„Ich muss es sehen, damit ich dich beschützen kann.“
Lilian wollte, dass sie Rewalt trauen konnte. Sie wusste niemanden, der ihr noch aus dieser Situation heraushelfen konnte, wenn nicht er.
„Na gut“ Lilian bliebt stehen, richtete sich auf und sah ihn direkt in die Augen. Wenn er sie betrog, dann sollte er ihr wenigstens dabei in die Augen sehen.
Er hob die Hand und Lilian ließ ihn ihre Erinnerungen lesen. Kaum berührten seine Finger ihre Schläfe, war wieder alles da. Die Erinnerung an diesen einen Tag. Noch viel stärker, als wenn sie selbst daran dachte. So plastisch, als wäre sie wieder in dieser Lagerhalle. Sie merkte, wie ihre Augen feucht wurden. Schnell rieb sie sich die Augen.
Rewalt nickte nur kurz verständnisvoll, bevor er sich umwandte. „Also hatte ich Recht! Wir sollten schnell verschwinden.“
Ihre Erinnerungen waren noch da. Rewalt hatte sie nicht gelöscht. Was er sagte, war die Wahrheit. Lilian konnte ihm trauen. Er legte seine Hand auf ihren Rücken und schob sie leicht vorwärts. Doch Lilian rührte sich nicht.
„Was ist mit Cornelius?“ Ohne ihn wollte sie nicht gehen.
„Ich kann nichts für ihn tun. Aber es wird ihm gut gehen. Sie werden ihn einfach ohne Erinnerungen zurück schicken. Doch dich müssen wir in Sicherheit bringen. Deine Erinnerungen sind zu wichtig und wer weiß unter welchem Vorwand sie dich anprangern werden, wenn die Wahrheit erstmal erlischt ist.“
„Was ist mit Emil? Mit Ina? Geht es ihnen gut.“
„Es geht ihnen gut. Aber wir haben nicht viel Zeit. Es wird sicher nicht lange dauern, bevor sie meinen Verrat bemerken.“
„Warum bist du hier? Warum hilfst du mir?“
„Weil ich das richtige tue. Hier wird gerade ein Komplott geplant und ich habe nicht vor mich daran zu beteiligen.“
„Rewalt, du hast, was du von mir brauchst.“ Nur langsam wurde Lilian das Ausmaß dessen was hier passierte klar. „Du machst dich strafbar, wenn du mir hilfst.“
„Ich will nicht, dass dir etwas passiert. Alleine schaffst du es hier nicht raus.“
„Aber du hasst mich, seit der Sache damals...“
„Weil du mit meiner Tochter zusammen warst und meinen Sohn ins Krankenhaus befördert hast?“ Rewalt lachte trocken auf. „Es gab andere Gründe, warum ich dir nicht mehr helfen konnte. Du hast dich aber auch alleine sehr gut gemacht. Aber das hier schaffst du nicht alleine. Lass mir dir helfen, hier raus zukommen. Und jetzt los. Bevor sie etwas bemerken.“
Lilian starrte ihn an. Was er gesagt hatte, wollte in ihrem drögen Kopf keinen Sinn ergeben. Doch sie wusste, dass sie ohne ihn nicht fliehen konnte. „Ja, lass uns abhauen.“
Rewalt fuhr mit der Hand an ihrem Kopf vorbei, wahrscheinlich ein Illusionszauber, um sie weniger auffällig zu machen. Dann eilten sie los durch einen scheinbar endlosen Gang.
Lilian horchte, doch außer ihren eigenen Schritten und ihrem rasenden Herzen hörte sie nichts. Vielleicht konnten sie es wirklich schaffen.
Plötzlich stoppte Rewalt an einer Tür. Er drückte die Hände dagegen. Erst jetzt, wo sie standen, hörte Lilian das näher kommende Geräusch. Sie fuhr herum und sah am anderen Ende des Gangs zwei Seher die zu ihnen eilten. Rewalt riss die Tür auf und schubste Lilian unsanft hindurch.
Bevor Lilian begreifen konnte, was passierte, schlug eiskalter Regen auf sie ein. Ihre Sneaker versanken in matschiger Erde. Hinter ihr hing die Tür einfach in der Luft, der Gang auf der anderen Seite. Rewalt hastete rückwärts hindurch und zog die Tür mit einem großen Knall hinter sich zu. Kaum war die Tür ins Schloss gefallen, verschwand sie einfach.
Es war düster um sie herum. Am dunkelblauen Himmel hingen dicke Regenwolken die unnachgiebig auf sie einprasselten. Sie waren irgendwo im nirgendwo gelandet. Doch für Lilian war es mehr. Das war die Freiheit. Mehrmals zog sie die frische, kalte Luft ein. Sie roch nach Regen, feuchte Gras und Bäume.
„Wir müssen weiter. Es wird sonst nicht lange dauern, bis sie uns aufspüren.“

Lilian ließ den Kopf gegen die kalte Fensterscheibe des Autos sinken und beobachte die Regentropfen, wie sie sich im Fahrtwind ihren Weg über die Scheibe bahnten. Die Welt hinter der Scheibe war schwarz. Die Autouhr zeigte 03:18 an. Rewalt und sie waren bereits lange unterwegs.
Die letzten Stunden waren aufregend gewesen, nicht angenehm aufregend, sondern hatten an ihren Nerven gezerrt. Rewalt hatte sie zur nächsten Stadt geführt und gemeint, dass sie untertauchen müssten in der realen Welt, ganz ohne Magie. Deshalb hatten sie ein Auto gemietet. Immer wieder hatte Lilian die Sorge umtrieben, dass die Seher sie dennoch finden würden. Doch nun strich die Zeit vorbei, ohne dass etwas passierte und die Spannung fiel von Lilian ab. Müdigkeit überkam sie und die Gedanken kamen zurück. Gedanken, die sie eigentlich gerne verdrängt hätte.
„Es war also alles geplant?“, fragte sie ohne den Kopf zu heben.
„Ich vermute es. Nicht haargenau so. Aber Noah scheint das ganze aufgesetzt zu haben, um dich zu töten. Deshalb hat er Hanna manipuliert, damit sie den Rest übernimmt.“
„Wäre ich nicht gewesen, dann hätte Hanna sich nicht manipulieren lassen...“
„Du kannst nichts dafür, Lilian.“
„Ich hätte es verhindern sollen!“ Lilian ballte die Hände in ihrem Schoß zu Fäusten. „Ich hätte es vorher bemerken sollen.“
„Du hast alles getan was du tun konntest, wir müssen nach vorne schauen. Ich bin mir sicher, dieser Junge plant irgendetwas.“
„Noah heißt er? Noah Wittmer?“
„Genau, wie der Alte Wittmer.“
„Ich habe von ihm von Cornelius gehört. Ich wusste nicht, dass dieser Bastard so beliebt beim obersten Rat ist...“
„Noch ist er zum Glück kein Mitglieder. Aber zweimal wurde er jetzt schon vom Rat angehört und jedes Mal hat er vor Dämonen und fremden Wesen gewarnt. Beim letzten Mal hat er sogar den Vorschlag gemacht wieder aktiv gegen die dunklen Wesen vorgehen, um uns vor ihnen zu schützen. Dass die Sozialisierungsprogramme nicht funktionieren würden. Wegen einem einzigen Vorfall. Und er findet Gehör bei den Ältesten des Rats… Verrückt, dass sie dem alten Wittmer das damals abgeschlagen haben und plötzlich nun ernsthaft wieder darüber nachdenken...
Doch als er dann noch Cornelius persönlich in eurem Fall betreuen wollte, wusste ich, dass du in Gefahr bist.“
„Er hat Cornelius Erinnerungen gelesen?“ Erst jetzt war Lilian wieder hellwach. Es war ihr egal, was für irrsinnige Ideen dieser Junge vor dem Rat vortrug. Bei so einem Spinner hatte sie damit gerechnet, aber dass er an Cornelius Erinnerungen herum manipulierte, ging zu weit. Hatte er nicht genug Schaden angerichtet?
„Und wahrscheinlich gelöscht, damit niemand erfährt, was wirklich passiert ist.“
„Gelöscht? Cornelius wird sich nicht erinnern? Aber Emils Erinnerungen, was ist damit?“
„Soweit ich weiß, wurden seine Erinnerungen bereits kurz danach nach Protokoll gelöscht. Wie weitreichend das ist, werden wir sehen müssen.“
„Was meinst du mit weitreichend?“
„Wenn alles so lief, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist, dann wird Emil sich an nichts mehr aus der magischen Welt erinnern.“
Lilian erstarrte. Nach und nach realisierte sie jedoch, was das hieß und ließ sich zurück in ihren Sitz sinken. „Er wird mich also vergessen haben...“
„Es wird nur für eine Weile sein. Wir können seine Erinnerungen wiederherstellen.“
„Nein, nicht nötig… wahrscheinlich ist es besser so.“
„Bist du dir da sicher?“
„Meine Kräfte werden von seiner Quelle angezogen. Sie sind dann zehn-, vielleicht hundertmal so stark. Ich könnte ihn umbringen, wenn er sich zu lange in meiner Nähe aufhält. Er hat da keine Kontrolle drüber.“ Je länger sie darüber redete, desto schwerer fiel es ihr. Der Stein in ihrem Herz wurde immer schwerer.
„Weil das Siegel nicht mehr da ist. Ich verstehe.“
„Hätte es dieses blöde Siegel nicht gegeben, hätten ich Emils niemals getroffen, dann würde Hanna jetzt noch leben.“
„Das kannst du nicht wissen.“
„Aber du weißt es doch, oder? Wäre sie glücklich geworden?“
„Lilian… Das kann ich nicht wissen.“
„Ihr seid Seher, wofür seid ihr sonst gut?“ Lilians Hände verkrampften. Warum hatten die Seher eigentlich nichts getan? Sie hätten genauso gut eingreifen können.
„Wir Seher können nur mögliche Zukunftsvision sehen, wenn sie kurz bevorstehen.“
„Dann hättet ihr sie doch aufhalten können. Warum musste es soweit kommen?“
„Ich wünschte es wäre anders abgelaufen. Aber ich und auch die anderen Seher haben uns ablenken lassen. Elisa hat mir plötzlich eröffnet, dass sie Martin festnehmen würden, weil er im Verdacht stünde, derjenige zu sein, der illegal Nekromantie ausübte. Er hatte sich wohl einige Bücher dazu in der Bibliothek angesehen, wie berichtet wurde. Ich habe natürlich sofort versucht ihn da rauszuholen.“
Lilian wusste darauf nichts zu erwidern. Natürlich hatte Rewalt seinen Sohn schützen wollen…
„Und zu Hanna“, fuhr Rewalt fort. „Es war ihr eigenes Verschulden. Sie hat Emil angegriffen, auch wenn sie wusste, dass die sterben würde. Sie hat den Tod selbst gewählt. Du trägst daran keine Schuld.“
„Ich habe sie dazu gebracht.“
„Red‘ dir das nicht ein. Du weißt das es nicht so ist.“
Vielleicht hatte sie Hanna nicht aktiv getötet. Aber…
„Ich habe diesen Vampir umgebracht.“
Rewalt schwieg für einen Moment. Mit den Fingern klopfte er mehrmals auf das Lenkrad. „Ich weiß. Ich habe damals den obersten Rat dazu gebracht, davon abzusehen Cornelius‘ Erinnerungen zu lesen und stattdessen auf seine Aussage zu vertrauen.“

Lilian merkte, wie die Tränen in ihren Augen aufstiegen. Sie fühlte sich leer und hilflos gegen die Welle an Schuldgefühlen, die sie überkamen.
„Aber warum? Du hättest wissen müssen, dass ich gefährlich bin! Warum habt ihr mich beschützt, wenn ich die Regeln gebrochen habe? Warum habt ihr das vor mir verheimlicht? Ich dachte, es wäre alles in Ordnung gewesen.“
„Weil die es nicht mit Absicht getan hast und ich wusste, dass du es damals nicht verkraftet hättest. Du bist ein guter Mensch, Lilian.“
Sie schluckte. „Ich bin ein Dämon.“
„Aber das definiert dich nicht. Das wusste ich, seit ich das erste Mal eingeschritten bin, als deine Kräfte erwachten.“
„Aber dann hast du hast dich von mir abgewandt.“
„Ich stand unter dem Druck des Rates… nachdem du deine Kräfte an Martin ausgetestet hast, hatte auch der Rat mitbekommen, dass meine Tochter eine Dämonin zur Freundin hatte. Das hätte meiner Position geschadet, wenn ich nicht gehandelt hätte. Ich habe Isabel verboten dich mit dir zu treffen. Natürlich wusste ich, dass ihr das trotzdem tun würdet. Das hätte ich auch ohne hellseherische Fähigkeiten gewussten.“
„All das? Nur um deine Position zu bewahren? Ich dachte Jahre lang, du wärst wirklich sauer auf mich.“ Lilian schüttelte ungläubig den Kopf und wischte sich die Tränen aus den Augen.
„Ich wusste, dass du das auch alleine schaffen würdest.“
„Ich habe überhaupt nichts geschafft. Ich habe gemordet und meine Freunde in Gefahr gebracht.“
„Du bist nicht der Auslöser für all das. Du musst dir nicht die Schuld für all das geben.“
„Lass uns nicht mehr darüber reden“ Lilian wandte den Blick wieder aus dem Fenster. In ihrem Kopf wanderten die Gedanken. Wenn sie sich selbst nicht die Schuld geben konnte, wem dann? Wer war schuld an all dem?

Es durchfuhr Lilian wie ein Blitz, als sie in Emils Augen sah. Als sie hierher gekommen war, dachte sie, dass sie wüsste, worauf sie sich einließ. Doch darauf war sie nicht vorbereitet gewesen. Ihn wiederzusehen, brachte auf einmal so viel zurück. Ihr Herz flatterte auf und gleichzeitig, durchfuhr sie die Angst, denn sie wusste, dass er sie nicht erkennen würde. Schnell fuhr sie herum. Sie hatte dafür keine Zeit. Ihr Gegner würde auch nicht warten.
Lilian packte die kleine spitzzahnige Fee am Hals, schleuderte sie zu Boden
„Verschwindet!“, schrie sie die Fee an. „Hier gibt es nichts zu holen!“ Sie richtete sich auf und trat die Fee, damit diese die Ansage auch verstand. Sie drehte sich zu den anderen Feen um und rief mehrmals: „Verschwindet, verschwindet!“
Ein Rascheln ging durch das Unterholz in alle Richtungen, als die Feen das Weite suchten. Stille trat ein, während die letzten vom Kampf aufgewirbelten Blätter noch zu Boden regneten.
Lilian atmete mehrmals ein. Sie spürte, dass Emil immer noch in ihrem Rücken stand und sie wagte es nicht sich umzudrehen. „Bist du in Ordnung?“, fragte sie.
„Ja -“ Emils Stimme war schwach. „Ich glaube schon… Was war das?“
„Feen“, erklärte Martin, der sich die Blätter von der Kleidung klopfte.
„Feen? Diese kleinen Dinger.“, fragte Emil verwirrt.
Martin lachte trocken auf. „Klein ist gut gesagt. Nervige Biester. Naturgeister die nichts besseres zu tun hatten, als dich verschleppen zu wollen.“
„Aber warum?“
„Haben sie dir irgendetwas eingeflüstert?“, fragte Martin. „Haben sie etwas gesagt?“
„Gib mir deine Magie, haben sie gesagt. Aber was hat das zu bedeuten?“
Emil hatte also wirklich alle seine Erinnerungen verloren. Lilian seufzte leise und versuchte gegen die Enttäuschung anzukämpfen, die in ihre aufstieg und ihr den Atem raubte.
„Sie wollten deine Quelle.“, erklärte Martin. „Wir sollten scheinbar noch vorsichtiger sein. Wenn die Feen von dir wissen, dann wird das nicht lange unbemerkt bleiben.“
„Das heißt, ich darf nie wieder in einen Wald gehen?!“
„Mach dir keine Sorgen, ich pass' auf, dass so etwas nicht nochmal passiert!“
Lilian schluckte die Enttäuschung herunter und drehte sich mit versteinerter Miene um. Sie sollten nicht sehen, was mit ihr los war. Jetzt wo Emil und Martin keine Erinnerungen daran hatten, was sie eigentlich hiermit zu tun hatte, waren sie Fremde für sie. „Ihr habt Glück, dass ich gekommen bin“, sagte sie mit trockener Stimme.
„Danke, Lilian.“ Martin klopfte ihr kumpelhaft auf die Schulter. Immerhin kannte er ihren Namen noch. Dann bemerkte sie, dass Emil sie musterte. Ob er überlegte, ob er sie kannte? Nein, er konnte es nicht wissen und er sollte das auch besser nicht wissen.
„Keine Ursache“, erwiderte Lilian so ausdruckslos wie möglich und wandte sich lieber Martin zu.
„Bist du mit meinem Vater hier?“, fragte er.
Lilian nickte nur. Sie merkte, dass ihre Stimme ihr sonst versagt wäre. Wieso hatte sie ihre Gefühle nicht unter Kontrolle? Schnell wandte sie sich ab, damit sie ihr Gesicht nicht sehen konnten. Das hatte sie sich einfacher vorgestellt.
Als Rewalt ihr erzählt hatte, dass Martin und Emil auf dem Weg waren und wahrscheinlich in Schwierigkeiten geraten würden, war sie überzeugt gewesen, dass sie das ohne Zwischenfälle durchziehen würde. Dass sie kein Problem damit haben würde, Emil wiederzusehen. Sie hatte sich im ersten Moment sogar darüber gefreut. Doch jetzt, schmerzte es, mehr als vorher. Rewalt hatte sie gewarnt, doch sie war zu stur gewesen, um das zu begreifen. Da musste sie jetzt durch.
„Kommt mit. Wir sollten uns hier nicht länger aufhalten als nötig...“ Ihr Ton war härter als geplant, weil sie all ihre Unsicherheit damit überspielte.
Sie marschierte voran, währen Martin und Emil hinter ihr irgendetwas tuschelten, davon dass sie eine Succubus war. Lilian versuchte das zu überhören. Was änderte das schon? Sie war sich sicher, so wie es jetzt war, war es besser. Emil sollte sich besser von ihr fern halten. Denn sie wusste nicht, wie lange sie sich noch unter Kontrolle haben würde.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Neue böse Wesen und so - Kapitel 25

Außer Kontrolle Kaum war Emil den Schritt nach draußen getreten, stieß ihm die kalte und klare Luft entgegen. Sie kühlte seinen Kopf und ließ ihn durchatmen. Es tat gut der stickigen Luft des Clubs entkommen zu sein. Hier draußen standen einige Raucher und unterhielten sich. Emil ging an ihnen vorbei und suchte sich einen Platz etwas weiter abseits. Er lehnte den Rücken gegen die Häuserwand und starrte einige Sekunden auf die Lichter der Straße. Seine Ohren dröhnten noch von der lauten Musik. Doch hier draußen schien plötzlich alles so leise, wie gedämpft drang das Geräusch der vorbeifahrenden Autos an seine Ohren. Sein Getränk hatte er immer noch in der Hand. Emil schwenkte die Flüssigkeit etwas, bevor er einen tiefen Schluck nahm. Als würde der Alkohol direkt wirken, beruhigte ihn der Schluck und er merkte, wie Ruhe in ihm einkehrte. Er war einfach nicht für Parties gemacht. Es war ja ganz witzig gewesen, er hatte mit den Leuten gescherzt und auch Ina war gar nicht so übel, wie er g

Neue böse Wesen und so - Kapitel 20

Das Gefühl zu vergessen „Wie meinst du das? Merkwürdig?“, fragte Martin verdutzt, als er und Emil im Ankunftsbereich des Flughafens standen und auf Martins Freundin Nici warteten. „Weiß nicht.“ Emil rang nach Worten. „Manchmal sitze ich da und habe einfach das Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Dazu kommt, dass Dinge wirklich merkwürdig sind. Wie, dass mein Fenster in den letzten Monaten zweimal ausgetauscht wurde, oder das ich in den letzten Wochen scheinbar bei kaum einen Raid dabei war.“ „Raid?“, fragte Martin verwirrt. „Schlachtzug. Gruppe in WoW.“ Martin nickte, als hätte er verstanden. „Auf jeden Fall finde ich das im Endeffekt ziemlich bescheurt, dass ich mir die DKP habe entgehen lassen. CoD macht zwar schon Spaß, aber mit den DKP hätte ich mir in den letzten zwei Raids wirklich tolle Sachen holen können.“ „Das ist echt merkwürdig.“ Martins Ton verriet, dass er das ganz und gar nicht merkwürdig fand. „Vielleicht ist es auch der Schlafmangel.“ Emil gähnte hinter vorgehaltener

Dämonen und so - Kapitel 20

Kompromisse „Wohin fahren wir eigentlich?“, fragte Ina mit verschränkten Armen vom Rücksitz aus, als Martin auf die Autobahn auffuhr. „An die Nordsee“, war die einzige Auskunft, die sie von ihm bekam. Genug Grund also nachzuhaken: „Was hat das denn nun mit Emil zu tun? Und warum fahren wir dahin?“ Diesmal antwortete Sonia ihr und Ina merkte, dass sie kurz überlegen musste: „Weißt du, das ist wirklich eine sehr ernste Angelegenheit und es ist besser, wenn du nicht zu viel weißt.“ „Und warum nehmt ihr mich dann mit?“ „Weil Martin darauf bestanden hat und gesagt hat: ohne Ina fahren wir nicht Emil retten“, erwiderte Sonia ohne mit der Wimper zu zucken und Martin ließ es deshalb einfach so stehen, da es für Ina eine hinreichende Erklärung war. „Woher wisst ihr überhaupt, dass Emil in Gefahr ist?“ „Er hat ne Email geschrieben“, hüstelte Martin. „Warum sollte er eine Email ...?“, warf Ina ein, bis sie sich des Wortspiels bewusst wurde und nur trocken lachte. „So glei