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Neue böse Wesen und so - Kapitel 21

Ein Hauch von Erinnerung

„Was zum Teufel ist hier los? Woher kennst du Marie so gut? Ist sie wirklich eine Hexe? Was für Erinnerungen? Was für Seher? Was hab ich damit zu tun?“ Emil hatte so schnell gesprochen, dass er nun nach Luft rang. Er hatte noch nicht mal alle Fragen ausgesprochen.
„Erkläre ich dir gleich“ Martin zog Emil am Ärmel von Maries Grundstück und um die nächste Hausecke. Mehrmals sah er zu allen Seiten, als hätte er Sorge belauscht zu werden. Dann atmete er tief ein und aus, bevor er endlich mit der Sprache rausrückte:
„Ich bin ein Seher. Oder eher: Ich war es. Ich kann in die Zukunft sehen und werde deshalb dafür ausgebildet die magische Welt vor der menschlichen zu schützen und umgekehrt.
Genau genommen habe ich dir das schon alle erzählt, aber jemand hat deine und meine Erinnerungen gelöscht. Ich weiß nur nicht warum.“
„Und Marie?“
„Marie ist eine Hexe. Scheinbar hattest du mal etwas mit ihr zu tun. Ich weiß allerdings nicht genau warum. Die Erinnerungen die wir gesehen haben, waren wahrscheinlich nur ein Bruchteil deren, die noch in deinem Kopf sind.“
„Erinnerungen in meinem Kopf?“, fragte Emil und kam sich dabei ziemlich dämlich vor.
„Magie kann deine Erinnerungen manipulieren. Jemand hat unsere richtigen Erinnerungen in unseren Köpfen eingeschlossen und durch neue ersetzt. Deshalb hast du die ganze Zeit das Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Wie in Matrix“
„In Matrix haben sie genau genommen nur falsche Erinnerungen, das sie in einer -“
„Jaja, war ja auch nur ein Beispiel.“
„Und das heißt?“
„Das heißt, wir müssen herausfinden, warum man unsere Erinnerungen manipuliert hat.“
„Du kannst wirklich in die Zukunft sehen?“
„Ja, du wolltest als nächstes sagen: 'Gib mir ein Beispiel.' Beispiel ist hiermit erfüllt.“
Emil starrte Martin an, weil es genau der Satz war, den er im Kopf gehabt hatte.
„Was wird nächste Woche passieren?“
„Die Zukunft ist verschwommen. Sachen die unmittelbar geschehen, kann ich sehr gut vorhersagen. Die weite Zukunft ist viel zu verworren um genaue Aussagen zu treffen. Ich sehe mehrere Zukunftsversionen und diese ändern sich auch immer wieder.“
„Kannst du mir eine nennen?“
„Wir werden wahrscheinlich Lilian treffen.“
„Wer ist Lilian?“, fragte Emil verdutzt, da Martin den Namen wie eine Selbstverständlichkeit benutzte.
„Wirst du dann sehen.“
„Okay… aber wie hast du nicht sehen können, dass unsere Erinnerungen manipuliert worden sind?“
„Manchmal öffnen sich Zukunftsversionen erst, wenn sie kurz davor sind wirklich einzutreten. Ich kann nicht immer alles voraussehen.“
Vollkommen verstanden hatte Emil Martins Erklärung nicht, er nickte aber trotzdem zustimmend.
„Und jetzt sollten wir schnellstens zu mir kommen.“
„Warum zu dir?“, fragte Emil.
„Ich hoffe, dass uns mein Vater helfen kann.“ Dann hielt Martin inne. „Oh, verdammt. Er ist nicht Zuhause. Gib mir einen Moment.“
„Was ist passiert?“
„Ich bin mir ziemlich sicher, dass er nicht nach Hause kommen wird heute. Aber ich habe keine Ahnung, wo er ist.“
„Ist er auch ein Seher?“
„Ja.“
Volltreffer. Die Aussage gab Emil endlich das Gefühl etwas verstanden zu haben.
„Ina wird uns auch nicht weiterhelfen können...“, murmelte Martin vor sich hin.
„Ina? Aus unserer Klasse? Was hat sie damit zu tun?“
„Scheinbar nicht genug.“
„Wer ist da noch darin involviert?“ Emil beschlich langsam die Vermutung, dass jeder aus seiner Klasse darin verwickelt war.
„Ich habe nicht alles in dem Erinnerungsfetzen sehen können. Kennst du Sonia?“
Emil schüttelte den Kopf.
„Habe ich mir gedacht.“
„Aber Ina kenne ich und was hat sie damit zu tun?“
„Wenn ich klare Antworten hätte, dann würden wir hier nicht stehen.“ Martin klopfte nervös mit der Faust auf seine Hand. „Ich weiß nur, dass sie auch da war.“
„Wo ist da?“
„Das wüsste ich auch gerne. Ich habe einen Raum gesehen. Mit dir, Sonia, Lilian und Ina und einen Haufen anderer Erinnerungen, die ich nicht zuordnen kann. Auch wenn ich genauso da gewesen bin wie du scheinbar.“„Aber das ist doch verrückt. Wie soll das passiert sein, wenn wir uns nicht erinnern? Magie hin oder her, man weiß doch, wenn man an etwas erinnert wird, was passiert ist.“
„So einfach ist das nicht. Leichte Vergessenszauber können schnell durch bestimmte Trigger ausgehoben werden. Aber bei dir hat jemand ganz ordentlich dafür gesorgt, dass man an die Erinnerungen nie wieder dran kommt. Sie sind versiegelt und ich vermute, dass wir nur einen Blick darauf erhaschen konnten, weil Marie die magische Kraft deiner Quelle nutzen konnte.“
„Magische… Quelle? Was soll das sein?“
„Manchmal gibt es Menschen, die selbst Magie in sich tragen. Du scheinst davon einer zu sein. Eine Hexe oder ein Hexer kann diese Magie nutzen. Deshalb nennen wir es Quelle.“
„Kannst du diese Quelle auch nutzen?“
„Keine Ahnung. Habe ich nie ausprobiert.“
„Du wusstest also, dass ich eine Quelle bin?“
„Quelle habe“, korrigierte Martin hin. „Ja, das wusste ich. Bislang hatte es aber keiner außer mir bemerkt. Es ist aber nicht auszuschließen, dass unser Gedächtnisverlust nun doch etwas damit zu tun hat.“
„Mit mir?“ Emil deutete auf sich und konnte es selbst kaum glauben. Nie hatte es sich mal um ihn gedreht? Und plötzlich war er in diese verrückte Geschichte gestolpert, wo jeder um ihn herum mit einmal mal magische Fähigkeiten hatte und er eine magische Quelle besaß. Das war vielleicht doch die Matrix.
„Ich weiß jetzt, wo wir hin müssen“, sagte Martin mit einem Mal. „Hast du festes Schuhwerk dabei?“
Emil saß zu seinen Füßen herunter, wo er wie erwartet nur seine schwarzen, etwas zerrissenen Turnschuhe fand. Sein einziges Paar. „Müsste gehen.“
„Dann los! Ich kann dir den Rest auch auf dem Weg erklären!“

Je länger Martin erklärte, wurde Emil so einiges aus der Vergangenheit klar, was an Martin schon immer merkwürdig gewesen war. Langsam wunderte er sich, wie er das so lange hatte ignorieren können, dass Martin in die Zukunft sehen konnte. Martin hatte so gut wie jede Partie Magic gegen ihn gewonnen, als hätte er gewusst welche Karten als nächstes kommen würden. Emil wusste nun, dass Martin es wirklich gewusst hatte.
So viele Erinnerungen an ihre Schulzeit hatten er und Martin selten hervorgeholt und sie ließen Emil beinahe vergessen, was gerade um ihn herum passierte. Doch irgendwann stoppte der Bus, in dem sie saßen mitten im nirgendwo und Martin sagte, dass sie aussteigen mussten.
Es dämmerte bereits und nachdem die Rücklichter des Busses in der Ferne verschwunden waren, stand sie an der einsamen Landstraße. Im Tal unter ihnen lugte der Stausee zwischen den dichten Bäumen hervor.
„Was genau wollen wir hier?“, fragte Emil mit dem Blick auf die orange Sonne, die tief über dem Horizont stand. „Es wird bald dunkel.“
„Wir treffen meinen Vater.“ Martin schwang sich über die Straßenabsperrung und Emil folgte ihm etwas ungelenkt.
„Und wo soll dein Vater sein?“
Martin deutete auf den Staudamm am Ende des Sees. „Ich weiß, dass wir ihn dort treffen werde.“
„Was macht dein Vater hier draußen?“
„Wenn ich das wüsste… aber wenn wir uns hier draußen treffen, dann stimmt etwas nicht.“
Martin trat einige Schritte an den Hang heran, und teste, ob seine Schuhe darin einsanken. Dann begann er herunter zu krackseln. Emil blieb nichts anderes über, als ihm zu folgen.
„Was soll das heißen? Etwas stimmt nicht?“
„Mein Vater ist ein sehr hochgestellt Seher. Er muss sich eigentlich vor niemandem verstecken. Wenn er sich hier treffen will, dann muss irgendwas passiert sein.“
„Aber was soll passiert sein?“ Emil versuchte Martin zu folgen, doch immer wieder musste er sich in der feuchten Erde abstützten.
„Dass werden wir wissen wenn wir angekommen sind.“
Schlitternd erreichte Emil irgendwie das Ende des Abhangs. Seine Hände waren voller Erde. Nur kurz konnte er diese abklopfen, bevor Martin ihn tiefer in den Wald führte.
Mit der untergehende Sonne wurde auch der Wald immer dunkler und dichter. Sie schlugen sich durch Dickicht.
„Kommt irgendwann auch mal ein Weg?“, fragte Emil der über den blätterbedeckten Waldboden stapfte und darauf bedacht war, nicht über eine hervorstehende Wurzel zu stolpern.
„Da müsste gleich ein Weg kommen.“
„Das hast du vor 10 Minuten auch schon gesagt!“
„Ich bin mir immer noch sicher, dass der Weg gleich kommt.“ Mit einem Mal fuhr Martin herum. „Pass auf!“
Emil stolperte vorwärts, als sein Fuß hängen blieb. Gerade noch konnte er sich fangen. Im ersten Moment glaubte er, er wäre über eine Wurzel gestolpert. Doch als er den Fuß erneut anheben wollte, bewegte dieser sich keinen Zentimeter weiter.
Emil fuhr herum, als ihm der Fuß bereits weggezogen wurde und er unsanft auf dem Waldboden landete. Der Aufschlag drückte ihm jegliche Luft aus dem Lungen. Noch etwas neben sich, versuchte er sich aufzurichten, doch etwas zog ihn direkt wieder zurück. Blätter wirbelten um ihn herum und er glaubte ein Flüstern zu hören. „So viel Magie...“
Martin war neben ihm und zerrte an etwas, über ihm. Der Druck, der Emil am Boden hielt, verschwand und er richtete sich rasch auf. Er sah Martin an, doch was Martin da festhielt konnte er nicht sehen.
„Was war das?“ Emil rang nach Atem. Etwas festes Schloss sich um seine Arme. Er wurde zurück gedrängt. Mit aller Kraft versuchte Emil sich dagegen zu stemmen. Der Boden unter seinen Füßen gab immer wieder nach.
Dann stieß sein Rücken an etwas hartes. Die Baumrinde drückte in seinen Rücken. Da war es wieder, das Flüstern. „So viel Magie… gibt sie uns...“
„Lasst ihn in Ruhe!“, hörte er Martin rufen. Doch es schien wie aus weiter Ferne.
Was war das? Vor seinen Augen war nichts? Seine Arme waren immer noch wie festgezurrt. Seine Brust wurde schwer. Dann seine Augen. Sie fielen ihm einfach zu. Das Gefühl wich aus seinen Armen und Beinen. Sein Kopf sacke auf die Brust.
Das Flüstern wurde klarer in seinem Kopf. „Gib uns deine Magie...“ und er hörte, wie seine eigene Stimme antwortete: „Ihr könnte sie haben.“
Durch den Nebel der Stimmen konnte er keinen klaren Gedanken fassen. Sie waren in seinem Kopf, nahmen ihn vollständig ein, ohne dass er noch eine Kontrolle darüber gehabt hätte. Es war in Ordnung, sagte ihm seine eigene Stimme. Lass sie machen.
Erst ein lautes Geräusch ließ ihn die Augen wieder aufreißen. Ein Schatten huschte an ihm vorbei. Der Druck ließ augenblicklich nach. Er war frei. Zurück in der Realität. Hastig stolperte er zur Seite.
Einige Meter vor ihm hockte eine menschliche Gestalt auf dem Boden und schlug auf etwas unter ihr ein. Blätter wirbelten herum. Ein Säuseln zischte durch die Luft. Schreie. Die Gestalt wurde auf die Seite geschleudert, als rang sie mit etwas unsichtbarem.
Wind kam auf. Emil spürte wie er über sein Gesicht zog. Vor ihm war nichts, außer den Bäumen, die starr dastanden. Doch Emil spürte die Gefahr, er wich einige Schritte zurück. Fürchtend, dass dort doch etwas unsichtbares war, dass nach ihm griff.
„Nicht so schnell!“, rief eine weibliche Stimme. Die Gestalt rappelte sich vom Boden auf. Binnen Sekunden war sie bei Emil und griff ins Leere, gerade als Emil etwas kaltes an seinem Hals spürte.
Da stand ein Mädchen vor ihm. Sie war nicht viel älter als er,ihre Gesichtszüge spiegelten ihren Kampfgeist wieder. Ihr Blick ging durch ihn hindurch.

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