Irgendwas zwischen Action und
Romanze
Der Bus hatte mal wieder Verspätung.
Auch wenn Emil mit Lilian gestern Abend das Stück zu ihr quer durch
die Stadt gelaufen war, hatte er nach dem Frühstück doch
beschlossen aus Bequemlichkeit und da es in Strömen regnete, den Bus
zu nehmen. Einziges Problem war nur, dass dieser nicht kam.
So standen er und Lilian eng aneinander
geschmiegt, die Kapuzen tief ins Gesicht gezogen, an der
Bushaltestelle und warteten. Lilian hatte die Arme samt ihrer kalten
Hände unter seine Jacke geschoben und umarmte ihn fröstelnd. Ihr
Körper war warm und sie hatte den Kopf auf seine Schulter gelegt.
Kälte schien auch vor Dämonen nicht halt zu machen. Sie jammerte
nicht, aber Emil spürte wie sie zitterte. Sie hatte wohl auch damit
gerechnet, dass der Bus früher kommen würde.
In solchen Situationen vergaß er
manchmal, dass sie eine Succubus war. Doch daran sollte er noch früh
genug erinnert werden.
Als Emil Motorgeräusche hörte, sah er
auf. Doch zu seiner Enttäuschung war es nur ein quietschgrüner
Corsa, der die Straße entlang heizte. Er wollte schon den Blick
abwenden, als der Wagen plötzlich eine Vollbremsung machte und vor
ihnen zum stehen kam.
Während Lilian sich verwirrt umblickte
und Emil sich nocht fragte, woher er den Wagen kannte, wurde die
Fahrertür aufgestoßen und Martin kletterte hastig heraus.
„Hallo, Emil. Ich glaube, was gleich
passiert wird dir nicht gefallen“, war alles, was er sagte, bevor
er um das Auto herum eilte.
Lilian starrte ihn unverständlich an:
„Was tust du da? Gepäck einladen?“
„Nein. Wir laufen!“
„Was?“
Das war auch das, was Emil in diesem
Moment dachte. Warum war Martin dann mit dem Auto hier? Warum war er
überhaupt hier?
„Keine Zeit für Erklärungen!“
Martin hatte Emil bereits am Arm gepackt und versuchte ihn mit sich
zu ziehen.
„Warte!“ Emil riss sich von ihm
los. „Erst will ich wissen, was hier los ist!“
Martin wollte gerade etwas erwidern,
als er von einem Knall auf der gegenüberliegenden Straßenseite
unterbrochen wurde. Emil spürte die Druckwelle noch bis zu ihnen
hinüber. Glas splitterte.
Alle drei wandten sich um und
erstarrten augenblicklich. Das Schaufenster der gegenüberliegenden
Metzgerei war geborsten und daraus übergab sich eine rosarote,
pampige Masse auf die nasse Straße.
Emil wollte weglaufen, doch er war
einfach zu fasziniert von dem, was er gerade sah, noch wollten ihm
seine Beine gehorchten. Er stand einfach nur da und beobachtete wie
die Masse Form annahm.
Aus dem Brei wuchsen Arme, vier Stück
an der Zahl und Beine dick wie Baumstämme. Es war ein riesiges
Monstrum aus totem Fleisch. Innerhalb von Sekunden hatte es Haushöhe
erreicht.
„Das sieht nicht gut aus“, hörte
Emil Lilian dicht an einem Ohr mehr zu sich, als zu ihm sagen.
Noch im selben Moment setzte sich der
Koloss in Bewegung und das Bein landete direkt gezielt auf dem
kleinen Corsa und zerquetschte ihn unter sich. Das große Ding war
unglaublich wendig für seine Größe.
„Ich hab es euch gesagt“, rief
Martin. „Wir müssen hier weg!“
„Dann tut das jetzt.“ Lilans Stimme
war ruhig. „Ich kümmere mich drum.“
Emil sah ihr in die Augen. Er sah die
Entschlossenheit darin. Ihr war es egal sich in den Kampf zu werfen,
denn sie konnte nicht sterben. Der Bund mit Marie machte sie
unverwundbar.
Bevor Emil sich versah, hatte sie ihn
geküsst. Ihre Lippen waren feucht und schmeckten nach Regen.
„Jetzt haut schon ab!“
Sie schubste ihn leicht in Martins
Richtung, bevor sie sich umwandte und lossprintete. Der Koloss
kümmerte sich wenig um Lilian, sondern steuerte weiter auf Emil und
Martin zu.
Das war der Punkt an dem Emil wusste,
dass er laufen musste. Er und Martin beschlossen das beinahe im
selben Moment. Auch wenn Martin das sicher vorher gewusst hatte.
Beide stürmten los. Auch wenn Emil
nicht wusste wohin er rannte, folgte er einfach seinem Instinkt.
Hinter sich hörte er wie das Fleisch des Monstrums auf dem Asphalt
bei jedem Schritt klatschend aufschlug.
Sie hatten es dem verregneten Sonntag
zu verdanken, dass ihnen weder auf der Straße jemand entgegen kam,
noch irgend eine Menschenseele auf der Straße zu erblicken war. Zwar
hatte sicher eine aufmerksame Rentnerin bereits die Polizei wegen des
Einbruchs in der Metzgerei angerufen, doch ihren Augen wollte sie
dennnoch nicht trauen, würden sie die anderen doch für verrückt
halten.
Die Straßen waren wie ausgestorben.
Beinahe zu ausgestorben. Emil wollte überhaupt nicht wissen, was
passierte, wenn das Ding sie einholen würde. Und so rannte er, auch
wenn seine Lungen nach kürzester Zeit brannten und seine Beine
schwer wurden. Diese Anstrengung war er einfach nicht gewohnt.
Ein Auto musste stark bremsen, als sie
ohne zu gucken über die Straße sprinteten. Emil hörte noch eine
Hupe und dann setzte der Fahrer lieber schnell den Rückwärtsgang
ein, als er den Koloss aus Fleisch vorbei laufen sah.
Emil nahm die Geräusche um sich herum
nur noch spärlich whar. Er hörte nur noch seinen eigenen, schweren
Atem. Die Stille verunsicherte ihn. Im Rennen wagte er einen Blick
zurück.
Er erkannte Lilian, die es auf die
Schultern des Monstrums geschafft hatte und verzweifelt auf ihn
einschlug, ohne dass er ihre Schläge überhaupt bemerkte.
Schnell sah Emil wieder nach vorne und
gerade noch rechtzeitig. Beinahe wäre er gegen eine Straßenlaterne
gelaufen, hätte Martin ihn nicht zur Seite gezogen.
„Wie soll das weitergehen?“,
keuchte Emil. Er konnte langsam nicht mehr und er wollte auch nicht
weiter rennen.
„Sie sollte es fast geschafft
haben!“, rief Martin zurück. An seiner Stimme merkte Emil, dass es
ihm weniger ausmachte in dem Tempo zu rennen.
Bei jedem Schritt ermahnte Emil sich
weiter zu laufen. Seine Beine wurden weich und seine Füße
stolperten bei jedem Schritt beinahe. Er würde das nicht mehr lange
durchhalten.
Noch einmal wandte er den Blick ab.
Lilians Schläge wurden schwächer. Oder Emil bildete sich das ein,
weil alles um ihn herum langsamer zu laufen schien. Doch dann holte
Lilian aus und ihre Hand fuhr durch das Fleisch in den Kopf des
Riesen.
Zunächst passierte nichts. Emil hatte
überhaupt nicht bemerkt, wie er stehen geblieben war und die Szene
starr beobachtete.
Es passierte wirklich nichts, bis auf
das die Aufmerksamkeit den Riesen mit einem Mal nicht mehr Emil und
Martin galt, sondern Lilian, die immer noch auf seiner Schulter
stand. Ihr Oberkörper war eingesunken. Sie war genauso erschöpft
wie Emil selbst.
Das Monstrum schwang seine Arme
unkontrolliert um sich herum. Dem ersten konnte Lilian noch
ausweichen der zweite traf sie frontal und schleuderte sie vier Meter
weit in die Tiefe.
Ein dumpfer Schlag folgte, als Lilian
auf dem Boden aufschlug. Dann trat das Monstrum nach. Noch bevor Emil
überhaupt etwas tun konnte, verschwand Lilians Körper unter einem
Berg aus Fleisch.
Emil starrte auf die Stelle wo sie
gerade noch gelegen hatte. Das konnte Lilian nicht getötet haben.
Zumindest hoffte Emil das inständig. Der Koloss nahm das Bein weg.
Einige schmerzliche Sekunden
beobachtete Emil Lilian, wie sie still auf dem nassen Asphalt lag und
sich nicht mehr bewegte. Keiner wagte etwas zu tun, selbst das
Monstrum wartete einen Moment. Dann beschloss es schlussendlich, dass
das nervige Ding von seiner Schulter doch schlussendlich tot war und
er sich wieder Emil und Martin zuwenden konnte, als Lilian sich
wieder rührte. Sie rappelte sich auf, rannte dem Monstrum hinterher
und schlug mit den Fäusten auf das Bein des Kolosses ein. Ihr Arm
durchdrang das Fleisch, doch das störte den Riesen wenig. Er
schleuderte Lilian zurück und ließ sich nicht darin beirren, weiter
auf Emil und Martin zuzukommen.
Auch wenn Lilian eine Succubus war,
wusste Emil nicht, wie lange sie das noch aushalten würde. Lilan
mochte Regenerationskräfte haben, doch das schien zu groß für sie
zu sein. Er musste ihr helfen, egal wie. Er sah sie nicht mehr.
Noch bevor Emil selbst bemerkte, dass
er losrennen wollte hielt Martin ihn mit beiden Händen zurück.
Eine Sekunde später wusste Emil warum.
Mit einem Schrei von Lilian trennte sich der untere Teil des Beins
des Riesen vom Rest der Masse. Er geriet ins Wanken und noch in der
Bewegung fiel er vorn über und landete mit einem lauten Platschen
keinen Meter vor Emil und bliebt regeungslos liegen.
Erst dachte Emil, es wäre vorbei, doch
dann zog Martin ihn um den Riesen herum zu Lilian.
Schon von weitem bemerkte Emil, das
etwas nicht stimmte. Lilian lag keuchend neben dem abgetrennten Bein
auf dem Boden. Sie rührte sie sich nicht, auch nicht, als sich Emil
über sie beugte. Ihr Blick war leer. Das einzige Lebenszeichen war
ihre Brust, die sich schwer hob und senkte.
„Was ist mit ihr?“ Emil merkte wie
seine Stimme sich überschlug. So hatte er sie noch nicht gesehen.
Sie konnte nicht doch nicht wirklich sterben. Marie war die Einzige,
die sie töten konnte.
Doch anstelle einer Antwort bekam Emil
nur einen Blick von Martin, dessen Bedrücktheit ihm Angst machte:
„Es gibt nur einen Weg. Emil, versprich mir, dass du mich nicht
dafür hassen wirst.“
Emil verstand nicht. „Wofür sollte
ich dich denn hassen?“
Ein schleifendes Geräusch war von
hinten zu hören. Das Monstrum begann gerade damit sich wieder
aufzurichten. Anstatt auf Emils Frage einzugehen, schob Martin seinen
Arm unter Lilian, hob ihren Oberkörper hoch, beugte sich über sie
und küsste sie.
Hitze stieg in Emil auf. Er wusste
nicht ob aus Scharm oder aus Eifersucht, doch als Lilians Brust sich
hob, als würde sie etwas tief in sich einsaugen, begriff Emil. Sie
saugte Martins Lebenskraft aus.
Doch so wie Lilian an Kraft gewann, so
verlor Martin seine. Wenn Emil nichts unternahm würde sie ihn
vollständig aussaugen. Zu allem Übel regte sich das Monstrum auch
noch wieder.
Dann beendete Martin den Kuss und sah
zu Emil hinüber. Die Situation war mehr als merkwürdig. Vor ihm
sein bester Freund, der seine Freundin in den Armen hielt und
dahinter die Masse aus Fleisch, die sich im strömenden Regen langsam
erhob.
Mit einem Mal riss Lilian erschrocken
die Augen auf und zog Luft in großen Zügen ein. Hastig schob sie
Martin zur Seite und richtete sich auf. Der Koloss hatte sich zu
seiner vollen Größe erhoben. Etwas schief stand er da, weil das
kaputte Bein sich nicht vollständig wieder zusammen gesetzt hatte,
doch er stand, allerdings nicht für lange.
Lilian preschte vor, sprang ab und ihre
Finger gruben sich blitzschnell in das Fleisch. Der erste Brocken
fiel, weitere folgten im Sekundentakt. Lilian nahm den ganzen Koloss
innerhalb kürzester Zeit einzeln auseinander, bevor dieser überhaupt
eine Chance gehabt hätte, irgendetwas zu tun.
Als Lilian schließlich die letzte
Verbindung der Gliedmaßen voneinander getrennt hatte, fiel die Masse
aus Fleisch einfach in sich zusammen.
Lilian sprang geschickt ab und landete
auf dem Boden, während Fleisch neben ihr in Stücken herabfiel. Der
ehemalige Kopf schlug neben ihr auf und sie bohrte ihre Hand hinein.
Ihr Gesicht war schmerzverzerrt doch sie ruckelte und zog an etwas im
Inneren. Dann zischte es und der letzte Anschein eines Körpers
verschwand. Zurück blieb eine Straße voller Fleischreste, die
aussahen als wäre hier ein Laster umgekippt.
Lilian wandte den Kopf und sah zu Emil.
Er erkannte, dass sie grinste und erwiderte es. Freude und
Erleichterung machten sich jetzt auch in ihm breit.
Dann wandte Emil den Kopf, um nach
Martin zu sehen, doch dieser rannte gerade überstürtzt in eine
Nebenstraße.
„Wohin willst du?“, rief Emil.
„Ihn finden!“, rief Martin zurück
und verschwand hinter der Ecke.
Emil sah fragend zu Lilian hinüber die
zu ihm durch die Reste hinüber watete. Kaum bei ihm angekommen,
hatte Lilian schon die Arme um ihn gelegt und drückte ihn an sich.
„Vielleicht meint er den Nekromanten,
der dafür verantwortlich ist“, antwortete sie ihm mit ruhiger
Stimme, wollte ihn aber auf keinen Fall dafür loslassen.
„Das war der Nekromant?“, hörte
Emil sich sagen und wusste direkt, wie blöd die Frage war.
„Totes Fleisch durch Magie zu einem
monströsen Monster zusammengesetzt. Ja, das klingt schon ziemlich
nach Nekromant.“ Lilians Antwort klang sarkastisch, doch als ihre
Hände über seinen Rücken strichen, hatte Emil schon wieder
vergessen, dass sie ihn damit neckte. Er spürte ihre Lippen an
seinem Hals, dann hörte er sie flüstern:
„Ich hatte Angst. Angst für immer
von dir getrennt zu werden.“ Sie schwieg für einen Moment. „Angst
zu sterben.“
„Ich dachte, du könntest nicht
sterben.“
„Das dachte ich auch. Aber meine
Kräfte waren fast verbraucht. Scheinbar kann ich trotz des Bundes
immer noch an Erschöpfung sterben. Ich habe wirklich keine Ahnung,
was mit mir los ist. Ich fühle mich einfach so kaputt in letzter
Zeit.“
„Seit du mit mir zusammen bist,
oder?“, fragte Emil ohne sich vorher dessen bewusst zu sein. Sie
war oft müde gewesen. Besonders wenn sie länger mit ihm Zeit
verbracht hatte. Seine Anwesenheit schwächte sie.
Lilian antwortete nicht und küsste
schnell seine Lippen, doch Emil merkte, dass sie ablenkte und schob
sie sanft von sich weg.
„Ich habe Recht?“ Er sah sie
eindringlich an.
Lilian suchte nach Worten.
„Möglicherweise“, fing sie langsam an. „Vielleicht bist du der
Grund. Früher hielten meine Reserven mehrere Monate.“
„Woher nimmst du denn sonst deine
Reserven?“, fragte Emil und merkte wie sich ihre Finger in seine
Jacke krallten.
„Unterschiedlich. Immer wenn ich
einen Spender hatte oder eine Erlaubnis jemand fremdem seine Kraft zu
stehlen. Das ist unangenehm, aber war selten nötig. Ich bin oft
genug in Schwierigkeiten geraten um meinen Vorrat aufzufüllen. Aber
jetzt...?“ Sie sah ungläubig zu ihm hoch, dann stockte sie. „Ich
habe eine Vermutung.“
Ihre Lippen berührten erneut seine,
doch dieses mal wehrte er sich nicht. Ihre Zunge war schneller in
seinem Mund, als dass er nein sagen konnte. Sie küsste ihn sanft und
berührte vorsichtig mit ihren kalten Fingern seinen kalten Hals. Ihr
Atem war warm, beinahe heiß und ihre Lippen schmeckten immer noch
nach Regen. Die gleichen Lippen die Martin eben noch geküsst hatte.
Emil wich ein Stückchen zurück und beendete damit ihren Kuss.
Lilian merkte das überhaupt nicht, sie war zu sehr in Gedanken
verloren, als Emil plötzlich Martins Stimme hinter sich hörte:
„Also schön war das nicht. Und ja,
Lilian hat Recht.“
Martin gesellte sich zu den beiden, als
wäre nichts gewesen.
„Und?“, fragte Emil. Trotz des
Regens bemerkte er, dass Martin geschwitzt hatte.
Doch Martin schüttelte den Kopf. „Er
ist mir leider entwischt. Dabei wusste ich genau, wo er sich aufhält.
Ich war so nah dran! Tut mir Leid.“
„So ein Mist.“ Emil seufzte. „Das
heißt, der Nekromant läuft immer noch frei herum und versucht mich
umzubringen?“
„Sollte er es noch einmal versuchen,
werde ich früher hier sein.“
Dann unterbrach Lilian Martin: „Was
meintest du gerade? Womit habe ich Recht?“
„Dass Emil dich indirekt aussaugt.“
Martin sah erst zu Lilian dann zu Emil, der ihn total perplex ansah.
Da er auf Unverständnis stieß, fuhr er fort: „Deine Kräfte
versuchen das Siegel, das Emils Quelle schützt, zu brechen. Dadurch
verlierst du in letzter Zeit so viel Kraft. Gleichzeitig scheint das
Siegel aber auch der Belastung nicht wirklich stand zu halten. Ich
sage das ausnahmsweise nicht, weil ich dich nicht mag, sondern weil
es die Wahrheit ist und ich keinen von euch beiden tot sehen möchte.
Sollte das Siegel brechen, würdest du Emil innerhalb von Minuten
töten. Bis dahin sollten wir uns etwas anderes überlegen. Besonders
wegen deines Kraftproblems.“
Alle drei schwiegen, bis Martin
einfiel: „Brauchst du eigentlich noch welche?“
„Nein ich denke nicht. Das gerade hat
mir gereicht“, antworte Lilian mit düsterer Miene.
„Sehr gut. Mir auch.“ Im Gegensatz
zu Lilian grinste Martin. „Wir finden sicher eine Lösung“, fügte
er mit dem Blick auf Emil hinzu. „Bis dahin... darf ich dich mit
nach Hause nehmen?“
„Warum?“
„Ich brauche jemand, der bezeugen
kann, dass ich nichts damit zu tun habe, dass der Corsa meiner
Schwester aussieht, wie in eine Presse geraten.“
„Aber du hast doch...“, warf Emil
ein.
„Das muss sie ja nicht wissen.“
„Grüß Isabel“, bemerkte Lilian.
„Sag ihr, dass ich mich wirklich gerne mit ihr treffen würde, wenn
sie das will.“
„Sag es ihr selbst.“ Aus Martins
Stimme war nicht zu erkennen, wie er das meinte, doch Lilian nickte
nur.
Emil besah sich das Chaos um sie herum.
„Wer räumt das jetzt eigentlich weg?“
Doch weder Lilian noch Martin gingen
auf seine Frage ein. Lilian küsste Emil nur auf die Wange und
umarmte ihn. „Komm gut nach Hause. Ich ruf dich heute Abend an.“
Dann löste sie sich von ihm und
lächelte, bevor sie sich zum gehen wandte.
Emil sah ihr nach und musste erst
einmal verarbeiten, was er gesehen hatte. Die Lilian die den Riesen
erlegt hatte schien überhaupt nicht zu der Lilian zu passen, die
gerade noch vor ihm gestanden hatte. Sie war eine Succubus, aber
gleichzeitig auch ein ganz normales Mädchen. In diesem Moment
wünschte Emil sich, dass sie nur zweiteres wäre und sein Leben
dadurch weniger kompliziert.
„So kann das nicht funktionieren.“
Die Stimme kam aus dem Dunkeln. Ich wirbelte herum, doch ich konnte
in der Schwärze nichts erkennen. Sich in der Dunkelheit zu
verstecken, war nicht ungewöhnlich für dunkle Wesen. „Solange der
Seher ein Auge auf den Jungen hat, wirst du es nicht schaffen ihm nur
ein Haar zu krümmen. Du könntest eine ganze Armee von Untoten
beschwören und du würdest versagen.“
Ich schluckte. Er versuchte mich zu
provozieren. Woher wusste er, dass ich hier war?
„Du hast dich verausgabt. Mit welchem
Resultat? Du solltest aufhören ihn zu hassen und anfangen ihn zu
lieben. Das würde ihn schneller umbringen.“
Am liebsten hätte ich etwas erwidert,
doch ich wusste nicht was. Meine Lippen waren trocken und meine Zunge
lahm. Ich fühlte mich auf frischer Tat ertappt. Doch er kam nicht,
um mich aufzuhalten. Das spürte ich.
„Ich bin hier um dir einen Tipp zu
geben. Wenn du den Jungen nicht bekommen kannst. Nimm das Mädchen.“
„Sie will ich aber nicht!“,
erwiderte ich eiskalt. Was bildet er sich ein, sich in meine
Angelegenheiten einzumischen? Wut stieg in mir auf.
„Du musst sie nicht töten. Entführe
sie und er wird dir wie eine Maus in die Falle gehen.“
Mein Herz raste. Ich wusste nicht, ob
ich demjenigen der in den Schatten zu mir kam, vertrauen konnte. Doch
sein Vorschlag klang plausibel. Ich hatte mich mit der Magie
übernommen und einen weiteren Schlag würde der Seher mit
Leichtigkeit abblocken können. Ich war ihm nur um ein Haar entkommen
und das war nichts als Glück gewesen. Er war mein wirklicher Gegner.
Ich konnte mich seinem Fokus nur entziehen, indem ich mein Ziel
änderte. Das missfiel mir, aber es klang so verlockend.
„Ich habe dich beobachtete“, sagte
die Stimme aus dem Dunkeln. „Du bist naiv, aber du bist nicht dumm.
Ich denke, dass wir gut zusammenarbeiten werden. Ich bin mir sicher:
Du wirst deine Rache erhalten.“
Ich lächelte. Langsam wollte ich der
Stimme aus den Schatten glauben. Der Plan war viel besser durchdacht,
als alles, was ich hätte entsinnen können. Ich würde Rache nehmen.
Das war alles was ich in diesem Moment wollte.
„Einverstanden“, hörte ich mich
selbst sagen und griff nach der Gestalt, die irgendwo dort im
Schatten stehen muss. Doch meine Hände griffen bereits ins Leere.
(Ich-Perspektive? Warum macht die
Autorin denn so etwas? - Weil sie es kann!)
Kommentare
Kommentar veröffentlichen