Mädchen und andere Ungeheuer
„Die
mit Sourcream sind die besten!“ Mit glänzenden Augen liebäugelte
sie mit der Chipstüte in ihren Händen und griff dann genüsslich
hinein.
Sie
saß im Schneidersitz auf Emils Bett, während er vor seinem
DVD-Regal stand und grübelte, welchen Film sie schauen sollten.
Lilian
gab einen Laut der Erkenntnis von sich, und schluckte schnell die
Chips herunter: „Dead or Alive.“
Emil
sah sie fragend an. „Der Film nach dem Spiel?“
„Genau
den!“
„Den
hab ich nicht.“
„Ich
sag ja, wir sollten mal bei mir gucken!“ Lilian wedelte mit dem
Chip durch die Luft die sie gerade in den Fingern hielt, bemerkte,
dass er krümelte und aß ihn schnell. Nachdem sie aufgekaut hatte,
sprach sie weiter: „Warum warst du bis jetzt eigentlich noch nie
bei mir?“
„Du
hast mich bis jetzt nie zu dir eingeladen.“
„Dann
lade ich dich jetzt offiziell ein, morgen zu mir zu kommen. Oder noch
besser: Du kommst heute Abend zu mir und übernachtest da.“
Es
dauerte etwas bis diese Information in Emils Kopf eingetroffen war.
Er hatte sich eigentlich schon wieder dem DVD-Regal zugewandt, als er
sich schlagartig wieder umdrehte. „Bei dir übernachten?“
Er
musste so ungläubig geklungen haben, dass Lilian ihn mit sehr
langsamer Stimme antwortete:
„Ja.
Praktisch bei mir eine Nacht verbringen.“
„Klar.“
Emils merkte wie seine Stimme schwächelte. Warum schlug sein Herz
ihm gerade jetzt bis zum Hals? Es war nichts dabei. Ob er nun am Tag
oder in der Nacht bei ihr war würde nichts ändern. Es war egal. Es
bedeutete rein gar nichts. Das war ein Abend wie jeder andere.
„Oh
man, langsam nervt es...“, wechselte Lilian urplötzlich das Thema
und erlöste Emil aus seiner Starre.
„Was
meinst du?“ Emil war sich noch unsicher, ob sie wirklich das Thema
gewechselt hatte. Das konnte man nie so genau wissen, aber sie neigte
dazu.
„Marie.
Der Bund mit ihr. Immer diese leise Ahnung zu haben, was sie gerade
tut.“
„Kannst
du den Bund nicht auch wieder auflösen?“
„Das
ist etwas komplizierter. Außerdem brauche ich diesen Bund, damit ich
dich beschützen kann.“ Sie legte die Chipstüte zur Seite und sah
Emil eindringlich an. Auch ihre Stimme wurde ruhiger und nahm einen
ernsten Tonfall an. „Solange ich mit ihr verbunden bin, kann ich
nicht durch eine Dämonenwaffe eines anderen getötet werden, noch
durch andere Mittel. Dennoch hat sie eine gewisse Macht über mich,
was mir absolut nicht gefällt.“
Emil
nickte nur, da er nicht wusste, was er darauf erwidern sollte. Er
verstand nicht, denn er konnte sich nicht im entferntesten
vorstellen, was dieser Bund für Lilian bedeutete.
„Alles
in Ordnung?“, fragte Lilian vorsichtig und riss ihn damit aus
seinen Gedanken. Sie musste seinen betrübten Blick aufgefangen
haben.
„Ja,
alles in Ordnung“, wiederholte Emil und versuchte zu lächeln.
„Danke, dass du mich beschützen möchtest, aber ich glaube nicht,
dass ich Schutz brauchen. Du solltest lieber auf dich selbst
aufpassen.“
„Das
werde ich. Aber...“ Sie hielt für einen Moment inne, bevor sie
weitersprach. „du bist möglicherweise bedeutender für die
magische Welt, als du denkst. Deine Quelle ist stark. Unglaublich
stark sogar.“ Ihre tiefblauen Augen ruhten durchdringend auf ihm.
„Vielleicht
sollte ich dann lieber selbst ein Magier werden“, schlug Emil vor.
Lilian
sah ihn für eine Sekunde entgeistert an.
„Ich
dachte nur...“, stammelte Emil die ersten Worte die ihm einfielen,
doch Lilian begann zu kichern.
„Nein,
Emil, entschuldige. Dein Gedankengang hat mich nur überrascht. Wenn
das gehen würde, wäre die Idee gar nicht so dumm.“
„Aber
es geht nicht?“, brachte Emil enttäuscht hervor.
„Leider
nein.“ Lilian rutschte vom Bett und kniete sich vor ihn. „Du
wärst aber ein toller Magier!“
Vorsichtig
beugte sie sich zu ihm vor und berührte seine Lippen mit ihren. Ihre
Lippen waren so unglaublich weich, dass ein Schauer Emils Körper
durchfuhr. Kurz berührte ihre Zunge seine. Dann sah sie ihn wieder
an und grinste.
Emil
sah in ihre Augen, die ihn liebevoll ansahen. Sie war unglaublich
hübsch.
Lilians
Blick wanderte mit einem Mal zur Seite und blieb am Regal hängen.
„Warum sagst du mir nicht, dass du 'The Punisher' hast?“, rief
sie aus, rutschte über ihn und griff nach der DVD im Regal. Dabei
kam ihr Körper ihm so nahe, dass er ihre Wärme spüren konnte.
Nachdem
sie sich die DVD erangelt hatte ließ sie sich auf seinem Schoß
nieder. Ihre linke Hand ruhte auf seiner Schulter. Alles an ihr
schien zu passen. Emil konnte sich nicht vorstellen, wie sie noch
schöner sein könnte.
Ihre
Hand wanderte vorsichtig seine Schulter zum Hals hinauf und fasste
vorsichtig seinen Kopf. Mit leichtem Druck schob sie seinen Kopf zu
ihrem hinüber und er folgte.
Emil
schloss die Augen, als sie ihn küsste. Ihre Arme schlangen sich um
seinen Hals und er merkte, wie sie sich reckte, um noch näher an
seinen Lippen zu sein, ihn noch intensiver zu küssen.
Sie
ließ ihm kaum Luft zum atmen, doch das hatte Emil schon fast
vergessen. Ihr ganzer Körper lag nahe an seinem und ihre Finger
fuhren durch sein Haar.
Als
Lilian den Kuss langsam beendet, merkte Emil erst wie sehr sein Herz
raste und sein Atem zitterte. Sie sah ihm für einen kurzen Moment in
die Augen, bevor sie ihn sanft nach hinten drückte. Emil gehorchte
und sie beugte sich über ihm. Bevor er sich noch darüber Gedanken
machen konnte, was sie da tat, hatte sie ihn schon wieder geküsst.
Ihre Hand fuhr seine Seite hinauf unter sein T-Shirt.
Vielleicht
hatte er sich geirrt. Es brauchte nicht Nacht zu sein, um mit ihr zu
schlafen. Es konnte genauso gut jetzt passieren.
„Emil?“,
fragte Lilian, als sie und Emil die Straße hinunter liefen, auf dem
Weg zu ihr. Ihre Hand umfasste seine, was ein schönes Gefühl war,
aber so wenig zu ihr zu passen schien.
Lilian
schien immer noch müde zu sein und gähnte einmal ausgiebig, obwohl
sie gerade noch zwei Stunden tief geschlafen hatte. „Tust du mir
einen Gefallen?“
„Was
für einen Gefallen?“, hakte Emil vorsichtshalber nach.
„Ich
würde gerne noch an der Bibliothek vorbei und es wäre lieb, wenn du
Martin davon nichts erzählst.“
„Warum
denn?“ Emil konnte sich nicht vorstellen, was so schlimm an einem
Besuch in einer Bibliothek sein sollte.
„Ich
habe als Dämon eigentlich keinen Zutritt zu den magischen
Bibliotheken, deshalb wäre es besser, wenn wir das für uns behalten
könnten.“
„Wir
gehen in die Winkelgasse?“, fragte Emil entzückt.
„Unsinn!“
Lilian war plötzlich hellwach und drückte sein Hand, wahrscheinlich
für sie leicht, doch für Emil so stark, dass er sie unter Schmerzen
loslassen musste. „Tut mir Leid! Tut mir Leid!“
Sie
fasst vorsichtig seine Hand und pustetet. Auch wenn es dadurch nicht
besser wurde, machte es Emil doch deutlich ruhiger.
„Was
brauchst du denn aus der Bibliothek?“
„Ich
hoffe, dass ich dort herausfinde, wie ich den Bund wieder löse, den
ich mir eingebrockt habe. Oder zumindest lockere.“
„Martin
erfährt nichts von mir. Zumindest nicht bewusst.“
Lilian
lächelte dankend. „Du wirst es nicht bereuen. Als Normaler die
Bibliothek gesehen zu haben; das können nicht viele von sich
behaupten. Genau genommen: Keiner.“
Emil
lachte, als ihm im selben Moment etwas einfiel. „Ich sollte dir
übrigens noch Grüße von Isabel ausrichten.“
„Von
Martins Schwester?“, fragte Lilian erstaunt.
„Ja,
sie ist momentan zu Hause und ich hab sie getroffen, als ich bei
Martin war.“
„Oh“
Lilian schien sich nicht wie erwartet über die Grüße zu freuen.
„Dann grüß sie zurück, wenn du sie siehst.“
„Werdet
ihr euch nicht sehen?“
„Hat
Martin irgendwas gesagt, woher wir uns kennen?“ Die Frage hätte
Emil schon misstrauisch werden lassen müssen.
„Er
sagte ihr wart befreundet gewesen und der Kontakt hätte sich
verlaufen.“
Lilian
seufzte. Emil bemerkte wie sie anfing nervös mit ihren Lippen zu
spielen. „Es ist vielleicht nicht der beste Zeitpunkt...“, fing
sie vorsichtig an.
Ihre
Stimme war schwach, sie druckste. Es war wie damals, als sie ihm
gesagt hatte, dass sie eine Succubus war. Es schien eine ähnlich
wichtige Bedeutung für sie zu haben.
Doch
dieses Mal war Emil nicht abgelenkt, was die Zeit bis sie ihren Satz
endlich beendete unendlich lang erschienen ließ. Was konnte so
wichtig sein, dass sie so Schwierigkeiten hatte es endlich
auszusprechen? Noch schlimmer, als dass sie eine Succubus war?
„Sie
ist meine Exfreundin.“
Damit
hatte Emil nicht gerechnet.
„Du?
Und Isabel?“, kam es ihm über die Lippen und erst danach war ihm
bewusst, sie plump das geklungen haben musste.
Lilian
lief rot an. „Ja, du wusstest doch, dass ich mit Mädchen zusammen
war.“
„Schon...“
Das Bild wollte nicht mehr aus Emils Kopf:
„Das
ist aber jetzt auch schon fast 3 Jahre her“, fügte sie rasch hinzu
und hielt dann inne. „Du scheinst das ziemlich locker aufzunehmen.“
Emil
nickte geistesabwesend.
„Oder
denkst du gerade an etwas anderes...?“
„Was?“
Emil horchte auf und sah sie an. Sie sauer aus. Ihre Stirn lag in
Falten. Doch kaum fing sie Emils Blick auf, konnte sie ihm nicht mehr
böse sein. Lachend schloss sie ihn in ihre Arme und drückte ihn an
sich.
Sanft
küsste sie seinen Hals und vergrub dann das Gesicht an seiner
Schulter.
„Danke,
dass du das so locker nimmst“, murmelte sie.
Emil
schloss die Arme um sie. „Warum denn auch nicht?“, fragte er
irritiert.
So
hielten sie für einige Zeit inne, bis Lilian sich ruckartig wieder
aufrichtete. Sie sah erschrocken in die Richtung die in Emils Rücken
lag. Mit einer schnellen Bewegung war sie aus Emils Umarmung und
bereits an ihm vorbei. Sie hielt wieder inne und sah in alle
Richtungen. Ihre Haltung verriet, dass sie etwas suchte, aber nicht
fand.
„Was
ist los?“
Sie
sah sich zu ihm um und in ihrem Blick war noch immer die Verwirrung
zu erkennen. „Ich dachte, ich hätte etwas gesehen.“ Sie rieb
sich die Augen. Ihre Haltung wurde entspannter. „Ich bin wohl doch
noch sehr müde.“
Das
Lächeln auf ihrem Gesicht war ehrlich dann gähnte sie erneut. „Wir
müssen nur noch zwei Straßen weiter“, sagte sie und setzte sich
mit diesen Worten wieder in Bewegung.
Emil
folgte ihr und warf dennoch einen Blick zurück, auf den Ort, an dem
sie gerade gestanden hatte. Die Straße lag still da, doch wenn er
sich vorstellte, dass Lilian gerade wirklich etwas gesehen hatte,
dann schien etwas in der Luft zu liegen, das man mit den Augen nicht
sehen konnte.
Sie
stiegen die Stufen zu der schweren Haustür eines Altbaus hinauf.
Lilian klopfte zweimal kurz an die Glasscheibe in der Tür, bevor sie
sich nach einiger Zeit einen Spalt weit öffnete und das Gesicht
eines Mädchens in etwa seinem Alter im Zwischenraum erschien.
Ihre
Miene erhellte sich sofort, als sie Lilian erblickte, doch dann fiel
ihr Blick auf Emil.
„Es
ist in Ordnung. Er ist mein Freund“, sagte Lilian und zeigte dabei
auf ihn.
„Okay“
Die Stimme des Mädchens war merkwürdig rau und öffnete die Türe.
Erst jetzt konnte Emil erkennen, das das Mädchen blondes Haar
hatte, dass sie fest zu einem Zopf zusammengebunden hatte. Sie trug
einen kariertes Hemd, T-Shirt und eine lockere Jeans. Keines ihrer
Kleidungsstücke schien ihr richtig zu passen.
Sie
ging in den dunklen Raum hinein, in dem Emil zunächst nichts
erkennen konnte.
„Ich
mache das Licht an“, sagte das Mädchen. Ihre Stimme war
merkwürdig. Sie wollte einfach nicht zu dem schmalen Mädchen
passen, zu der sie gehörte.
Flackernd
ging die Deckenbeleuchtung an und tauchte den großen Raum in dem sie
standen in warmes gelbes Licht. Das Licht offenbarte mehreren Gänge
mit hohen Buchregalen aus dunklem Holz. Genau so hatte Emil sich eine
magische Bibliothek vorgestellt.
Lilian
folgte dem Mädchen zum Pult auf dem ein uralter Rechner stand und
jede Menge Ordner ausgebreitet waren. Eine Tischlampe brannte. Es war
scheinbar der Platz an dem das Mädchen bis gerade eben noch
gearbeitet hatte.
„Was
brauchst du?“, fragte sie an Lilian gewandt.
„Namensmagie.
Deine Idee mit dem Bund war zwar für den Moment wirklich gut
gewesen, aber...“ Ihr Blick schweifte ab und blieb auf Emil hängen.
„Ach, ich hab euch noch überhaupt nicht vorgestellt. Cornelius,
das ist Emil -“
„Cornelius?“
Emil unterbrach sie ohne darüber nach zu denken.
„Ja,
Cornelius.“ Das Mädchen lächelte und plötzlich fuhr etwas über
ihr Gesicht, dass es für Emil nicht mehr scharf erkennbar machte und
nahm deutlich männlichere Züge an. Auch wenn die blauen Augen
gleich blieben, blickte Emil in das Gesicht einer völlig anderen
Person. Sekunden später sah ihn wieder das Mädchen an. Emil blickte
verwirrt zu Lilian. Er hatte doch dieses mal überhaupt nichts
getrunken.
„Cornelius
ist ein Gestaltwandler“, erklärte Lilian leicht amüsiert. „Er
nimmt diese Form immer an, wenn ich da bin, um sich vor meinen
Kräften zu schützen. Klappt auch ganz gut.“
Emil
nickte verdattert. „Wie sieht er dann aus, wenn ich getrunken
hätte?“
„Normal“,
beantwortete Cornelius seine Frage und jetzt wo er Cornelius'
richtiges Gesicht gesehen hatte, passte die Stimme deutlich besser zu
ihm. Vollständig daran gewöhnt hatte Emil sich jedoch noch lange
nicht.
„Meine
Kräfte funktionieren leider nicht bei betrunkenen Menschen. Sie
lassen sich nicht mehr so leicht täuschen.“
„Kannst
du jede Gestalt annehmen?“
„Jede
menschliche zumindest. Andere können auch tierische Gestalten
annehmen.“
„Nimm
meine an!“
„Wenn
Lilian zu den Büchern geht.“ Cornelius hielt inne und sah sich
nach Lilian um, die bereits auf ein Regal am hinteren Ende
zusteuerte.
„Lasst
euch nicht stören!“, rief sie ihnen zu. „Ich melde mich schon,
wenn ich etwas nicht finde.“
Cornelius
zuckte die Schultern und wieder verschwamm sein Gesicht und dann sah
Emil sein eigenes. Zwar war Cornelius etwas kleiner als er, aber es
war wie in einen Spiegel zu Blicken, nur dass die Mimik nicht ganz
passen wollte.
Es
war das beeindruckendste magische Kunststück, das Emil bis jetzt
gesehen hatte. Es dauerte nur einen Moment, dann stand ein Junge vor
ihm, den Emil zwar nicht kannte, von dem er aber wusste, dass es
Cornelius richtiges Äußeres war. Er musste etwas älter als Emil
selbst sein.
„Und
woher kennst du Lilian?“, fragte Cornelius.
Emil
überlegte, wie er das erklären sollte. „Wir sind uns praktisch
über den Weg gelaufen.“
„Weiter?“
„Sie
war plötzlich da und hat mich vor Marie gerettet, die mich um den
Finger wickeln wollte.“
„Dann
haben wir etwas gemeinsam. Lilian hat auch mein Leben gerettet.“
Emil
kam nicht dazu nachzufragen, wie die genauen Umstände waren, denn in
dem Moment kam Lilian unerwartet früh mit einem Stapel Bücher
zurück und Cornelius wechselte augenblicklich sein Äußeres.
„Funktioniert
dieser Übersetzungskopierer wieder?“, fragte Lilian.
„Der
Entkrypter?“, antwortet Cornelius ihr.
„Genau
das Ding.“
„Ja,
nimm meine Karte.“ Cornelius zog eine Chipkarte aus der Tasche und
legte sie oben auf den Bücherstapel in Lilians Armen.
„Soll
ich dir vielleicht helfen?“, fragte Emil mit dem Blick auf die
dicken Bände.
„Ne,
ne, geht schon.“ Mit den Worten wankte sie in Richtung Kopierer.
„Warum
Entkrypter?“, fragte Emil verwundert.
„Die
Bücher sind zum größten Teil in Runen geschrieben, die nur wenige
lesen können. Deshalb der Übersetzer. Es gibt in größeren
Bibliotheken auch Lesegeräte für so etwas.“
„Wie
ist das technisch möglich?“
„Gar
nicht. Die funktionieren magisch.“
Sich
das vorzustellen überstieg in diesem Moment Emils Vorstellungskraft.
Er hatte sich gefreut langsam die physikalischen Zusammenhänge von
Elektrizität zu begreifen, aber dass das auch noch magisch gehen
sollte, wollte nicht in seinen Kopf. Die ganze Magie war etwas, das
er nicht verstand und immer noch manchmal für einen dummen Scherz
hielt. Außer wenn sie ihm direkt ins Gesicht sprang, wie im Falle
von Cornelius.
„Und
du hast überhaupt keine magischen Fähigkeiten?“, fragte
Cornelius.
Emil
stockte. Das er seine verschlossene Quelle erwähnte war sicherlich
keine gute Idee, nicht einmal vor einem von Lilians Bekannten.
„Nein
leider nicht. Total normal.“
„Hast
du ein Glück.“
„Wieso?
Du kannst dich in eine Frau verwandeln!“
Cornelius
lachte. „Ja, das hat schon Vorteile.“
„Ich
würde das so sehr ausnutzen.“
„Ich
auch.“
Es
folgte eine kurze Stille, die beide nicht lange aushielten und sich
angrinsten.
„Was
mich interessieren würde. Wie funktioniert das eigentlich mit dir
und Lilian? Wie kannst du dich in ihrer nähe Aufhalten ohne tot
umzufallen?“, fragte Cornelius schließlich.
„Ich
scheine irgendwie dagegen immun zu sein“, log Emil, auch wenn es
ihm schwer fiel. „Keine Ahnung warum.“
„Gilt
das auch für andere magische Kräfte?“
„Das
habe ich jetzt nicht ausprobiert und möchte das eigentlich auch
nicht tun.“
„Kann
ich nachvollziehen.“
„Gegen
Zukunftsvorhersagen bin ich es auf jeden Fall nicht“, scherzte Emil
und dachte an Martin, der ihm immer häufiger bereits antwortete,
wenn Emil es überhaupt noch nicht angesprochen hatte.
„Dem
kannst du dich ja auch nicht entziehen, denke ich. Das heißt du
kennst Seher?“
Emil
nickte.
„War
Martin nicht für deinen Bereich zuständig?“
Emil
nickte erneut.
„Dann
richte ihm bitte aus, dass er endlich das Buch zurück bringen soll,
dass er sich vor sechs Wochen ausgeliehen hat.“
„Was
für ein Buch?“, fragte Emil erstaunt, während sich eine
Erinnerung in ihm regte und er Cornelius Antwort überhaupt nicht
hören musste.
„Ein
Lexikon für moderne magische Geschichte, 14. Auflage, Druckjahr
2004“, ratterte Cornelius die Daten runter.
Es
war das Buch, dass Martin Emil in der Schulbibliothek gezeigt hatte,
um ihn auf die Idee mit den Sehern zu bringen. Er musste es dorthin
geschafft haben, um keinen Verdacht zu erregen. Eine clevere Idee.
Und Emil war natürlich darauf herein gefallen.
„Wieso
kannst du das einfach so auswendig?“
„Ich
lerne viel für mein Studium, wenn ich hier arbeite. Da bleiben
automatisch auch die Buchtitel hängen.“
„Was
studierst du denn?“
„Geschichte,
normale und magische.“
„Gefällt's
dir?“
„Ja,
es ist total interessant. Und das ist eigentlich der perfekte
Nebenjob dafür.“
„Stimmt.“
Lilian
kam vom Kopierer zurück und hielt Cornelius ein Buch vor die Nase.
Auf dem dunkelgrünen Band konnte Emil Runen erkennen. „Ich blicke
da überhaupt nicht durch. Kannst du das Buch kurz anlesen und mir
sagen, ob es relevante Stellen beinhaltet?“
„Bezüglich
was?“, fragte Cornelius. „Es geht in dem ganzen Buch nur um
Namensmagie.“
„Ob
man einen einmal geschlossener Bund mit Namensmagie wieder lösen
kann...“, murmelte Lilian, sodass man sie kaum verstehen konnte.
Ihr Blick wanderte unsicher zur Seite.
„Das
könnte etwas länger dauern.“ Cornelius warf ihr einen
nichtssagenden Blick zu, während er ihr das Buch aus der Hand nahm.
„Am besten ihr wartet kurz und schaut euch die Bücher an. Kaffee?“
„Nein,
danke“, antworteten Lilian und Emil, wie aus einem Mund.
„In
Ordnung.“
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