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Dämonen und so - Kapitel 15



Ach, das machen Seher!

„Was ist denn jetzt mit den Sehern?“, fragte Emil ungeduldig. Martin war währenddessen dabei das Regal in der Schulbibliothek abzusuchen.
„Einen Moment ...“, murmelte er, bevor er schließlich das fand, was er suchte und das Buch aus dem Regal zog.
Es war alt, das sah Emil auf den ersten Blick, doch er verstand das Ganze noch nicht ganz.
„Mir ist aufgefallen, dass ich das mit den Sehern gelesen hatte.“
„In diesem Buch da?“, Emil deutete darauf.
„Natürlich in diesem Buch.“ Martin ging mit dem dicken Schinken hinüber zum nächsten Tisch. Die Bibliothek war bis auf die Zwei total leer, denn wer lieh schon Freitag Nachmittag ein Buch aus?
Als wüsste er schon, welche Seite es war, schätzte er kurz die Seitenzahl ab, blätterte kurz und trat dann ein paar Schritte zurück, damit Emil lesen konnte.
Er überflog die Seite. Der Text behandelte die Möglichkeit, dass es Menschen gab, die die Zukunft vorher sahen und deshalb versuchten diese zu ändern. Es wurde auch der Vorschlag gemacht, diese Seher einzusetzen, um Geheimnisse zu wahren. Doch weder von Hexen noch Dämonen stand dort etwas.
„Wie kommst du darauf, dass das hier etwas damit zu tun hat?“ Emil sah ungläubig von dem Buch auf.
„Ich habe mich gefragt, warum niemand etwas mitbekommt, dass diese Wesen hier ihr Unwesen treiben. Es muss eine Instanz geben, die verhindert, dass sie auffliegen.“
„Seher also.“
„Die wissen würden, wenn Dämonen etwas versuchen würden.“
„Du glaubst, hier ist ein Seher und passt auf, dass Marie mir nichts antut?“
„Ja, das glaube ich.“
„Na, da bin ich ja beruhigt.“
„In der Schule bist du also sicher“, stellte Martin fest.
„Deshalb vielleicht der Anruf!“, brach es plötzlich aus Emil heraus.
„Welcher Anruf?“
„Bevor Marie zu mir kam, bekam ich einen Anruf, ich sollte niemanden herein lassen. Ich wäre in Gefahr.“
Martin nickte nachdenklich.
„Vielleicht war das der Seher!“, fuhr Emil aufgeregt fort.
„Der Seher? Ein Mann?“
„Nein, eine Frau. Sie schien mich warnen zu wollen. Ganz sicher, das muss die Seherin gewesen sein.“
„Kann sein“, räumte Martin schulterzuckend ein. „Wir wissen also, dass du von einer Frau beschützt wirst, die hier irgendwo auf der Schule ist. Das beruhigt mich doch.“
„Mich auch“, atmete Emil auf.
„Das heißt nicht, dass du außer Gefahr bist! Ein Seher kann dich auch nicht retten, wenn du wieder wie bei Lilian ins offene Messer rennst.“
„Wieso?“
„Du wolltest sie schon wieder küssen“, erwiderte Martin eindringlich.
„Neidisch?“
„Du hättest daran sterben können!“
„Du glaubst doch nicht, was Ina erzählt hat? Dass Lilian mein Leben aussaugen würde?“
„Das letzte Mal bist du im Krankenhaus gelandet.“
„Schon ...“, räumte Emil ein.
„Mach's deinem Beschützer einfach nicht so schwer.“
Darauf gab Emil auf und nickte. „Hast Recht, der hat sicher noch mehr zu tun, als sich um mich zu kümmern.“ Bis ihm dann doch etwas auffiel: „Was macht so ein Buch eigentlich in unserer Schulbibliothek?“
Martin zuckte die Schultern. „Keine Ahnung. Ich hab es hier vor einigen Monaten gefunden.“
„Vielleicht gehört es dem Seher.“
„Möglich ... Wenn wir von Sehern sprechen. Hast du die neue Marvel Comicverfilmung schon gesehen?“
Emil schüttelte den Kopf. „Noch nicht.“
„Heute Abend Kino?“
„Warum nicht.“

~*~*~*~*~

„Ich wusste, dass es ein Fehler war, meinen grobschlächtigen Cousin zu bitten mir zu helfen!“ Marie lief aufgebracht in ihrem Zimmer herum, während ihr Cousin, etwas verdruckst dabei stand. „Es ist doch klar, dass sie keine Wächterin ist! Sie ist viel zu jung und außerdem in meiner Stufe!“
„Du hast auch einen Seher in deiner Stufe“, verteidigte sich der junge Mann.
„Richard, du bist nicht blöd, wie die Gehilfen in schlechten Filmen, aber das hättest du doch merken müssen!“ Marie piekste mit den Fingern in seinen muskulösen Oberkörper.
„Sie hat mich auf der Straße überrascht“, verteidigte Richard sich.
„Wie viel hast du ihr verraten?“
„Nichts.“
„Na, ein Glück. Dann habe ich weniger zu löschen.“ Marie ließ sich seufzend auf die Kante ihres Bettes sinken, auf dem die bewusstlose Ina lag. „Damit verschwende ich eine Menge Zauberkraft.“ Geschickt ließ sie die Hand über Inas Kopf kreisen. „Wenigstens hat sie eine schwache Quelle, dann wird es einfacher gehen.“
Mit den Fingern zog sie das Symbol auf Inas Stirn, dann ließ sie die Hand auf ihr Gesicht sinken. Marie begann unverständliche Worte zu murmeln und ein unwirkliches farbloses Licht erfüllte die Stelle an der sie das Zeichen gemacht hatte. Richard hatte noch nie gesehen, wie Marie einen schwierigen Zauber ausführte. Für gewöhnlich zauberte sie überhaupt nicht und umso erstaunter war er.
Marie wiederholte die Formel immer und immer wieder. Erst Minuten später verstumme sie und löste die Hand, sichtlich erschöpft.
„Du kannst sie wieder irgendwo aussetzen.“ Maries Stimme war schwach und es fiel ihr deutlich schwer aufrecht zu sitzen.
„Jetzt weiß ich, warum Seher nicht andauernd Gedächtnisse löschen“, stellte Richard fest.
„Und pass auf, dass sie nicht vorher aufwacht“, fügte Marie gequält hinzu, ohne auf ihn einzugehen. „Sonst wäre die ganze Arbeit umsonst gewesen.“
„Natürlich.“ Er kam zu ihrem Bett hinüber und hob Ina hoch. „Alles in Ordnung?“
„Ja, ja. Geh schon!“ Sie deutete Richtung Tür und Richard trug Ina ohne Wiederworte hinaus. Erst als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, ließ sich Marie kraftlos nach hinten auf das Bett fallen.

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