Nehmt
den Bauern aus dem Spiel
Die
Physikklausur lief gar nicht mal so schlecht. Jedenfalls
fand
Emil das.
Sein Lehrer hingegen
sah das irgendwie nicht
so und
gab Emil nur 9 Punkte, was Martin für 'eindeutig
zu wenig'
erklärte, aber für Emil waren es mehr, als er erwartet hatte.
„Ohne
dich hätte ich vielleicht nur 5 Punkte“, sagte
Emil zu Martin.
„Das sind jetzt ... wie viel Prozent mehr?“
„80
Prozent“, antwortete Martin ohne darüber nachgedacht zu haben.
„Aber du konntest alles!“
„Ich hab die Rechenaufgabe verkackt.“
„Ich hab die Rechenaufgabe verkackt.“
„Egal.
Dein Ehrgeiz sollte mit bewertet werden. In der Klausur davor
konntest du gar nichts.“
Emil
wollte gerade widersprechen, denn gar nichts war doch etwas hart
ausgedrückt, als er unwillkürlich Maries Blick im Nacken spürte
und sich umdrehte.
Als
hätte sie es bemerkt, wandte sie rasch den Blick ab, doch bei Emil
blieb dieses unbehagliche, nervöse Gefühl zurück.
„Was
ist?“, fragte Martin und sah sich ebenfalls um.
„Marie“,
murmelte Emil. „Sie starrt mich seit Samstag schon die ganze Zeit
so an.“
„Bist
du dir sicher? Vielleicht
bildest du dir das nur ein.
Nach allem, was
passiert ist...“
„Dachte
ich auch. Aber ...“ Er rieb sich nervös die Hand im Nacken. „Es
beunruhigt mich, das ist anders als vorher.“
Martin
lachte leicht auf. „Weil sie dich aufessen möchte?“
„Weil
sie meine Energie will. Ach, ich habe keine Ahnung. Ich weiß nicht
einmal, ob ich Lilian glauben kann. Wenn Marie wirklich so etwas vor
hätte, dann würde sie es doch in der Schule versuchen.“
„Würde sie nicht.“ Wieder eine Antwort Martins, die so schnell kam, dass Emil sich fragte, ob sein Gehirn irgendwie anders aufgebaut war, als seines.
„Würde sie nicht.“ Wieder eine Antwort Martins, die so schnell kam, dass Emil sich fragte, ob sein Gehirn irgendwie anders aufgebaut war, als seines.
„Warum
würde sie das nicht?“
„Weil
sie es doch nicht vor den Sehern tun kann.“
„Sehern?“,
fragte Emil verwirrt.
„Na,
Seher. Das weißt du doch.“
„Nein,
weiß ich nicht.“
„Hast
du mir doch erzählt.“
Emil
schüttelte den Kopf. „Ich hab dir davon nicht erzählt.“
„Nicht?“
Martin sah ihn einige Sekunden an. „Muss ich wohl woanders
aufgeschnappt haben.“
„Vielleicht.
Also was sind nun Seher?“, fragte Emil neugierig.
„Später.“
Martin sah sich zu beiden Seiten um, als wenn sie beobachtet würden
und tatsächlich saß Ina in einiger Entfernung zu ihnen und spitzte
die Ohren. Sicher war aber, dass sie, wenn überhaupt, nur die Hälfte
von dem mitbekommen hatte, was die Beiden redeten.
~*~*~*~*~*~
Die
Schule war aus und Ina gerade auf dem Heimweg. Sie ärgerte sich
immer noch, dass Emil und Martin sie vollständig
ausschlossen, wenn es
um die Sache mit Marie und Lilian ging. Dabei war sie es doch
gewesen, die bewiesen hatte, dass Lilian ein Dämon war. Genervt trat
sie einen Kiesel vom Weg zur Seite. Nicht mal ein Danke hatte sie
dafür bekommen und dann hatte Emil sie auch noch rausgeworfen. Es
war ein totaler Reinfall gewesen. Wie konnte sie das nur wieder
hinbiegen?
Gedankenverloren
ließ sie den Blick über die Leute schweifen, die ihr entgegen
kamen. Erkannte man Dämonen wirklich nur, wenn man Alkohol getrunken
hatte? Waren sie nicht sonst irgendwie auffällig? Die Augen, der
Blick, wie sie liefen? Hatten sie Reißzähne? Nein, Lilian hatte
auch keine. Nicht einmal in ihrer Dämonenform. Also woran dann?
Nach
einigen Minuten musste Ina aufgeben. Es gab einfach zu viele
verschiedene Auffälligkeiten zwischen den Personen. Der Eine wankte
von links nach rechts, einer starrte die ganze Zeit auf den Boden,
eine kaute auf ihrer Haarsträhne, wie sollte man unter diesen ganzen
komischen Leuten einen Dämon finden?
Doch
bevor Ina den Blick abwenden konnte, erstarrte sie, als sie den Mann
erkannte, der gerade an ihr vorüber ging. Sie wusste nicht einmal,
warum sie ihn erkannte, denn sie hatte ihn nur für einige Sekunden
bewusstlos auf dem Boden liegen sehen, aber sie war sich sicher. Da
hatte sie ihr Gesichtergedächtnis noch nie enttäuscht.
„Hey“,
rief sie und eilte dem Mann nach. Dieser blieb verwundert stehen.
„Ich kenne Sie!“
Er
starrte sie nur für einige Sekunden mit seinen blauen Augen an. „Wie
bitte?“
„Sie
stecken mit Marie unter einer Decke! Was haben Sie eigentlich vor?“
Ina bäumte sich vor ihm auf und drohte ihm mit dem Finger.
Zum
Glück hatte Ina keine Ahnung, was er mit Lilian angestellt hatte,
denn ihr unerschrockenes Auftreten jagte wiederum ihm eine
Heidenangst ein, sodass er ohne zu zögern plötzlich los sprintete
und Ina sofort hinterher. „Ich bin noch nicht mit Ihnen fertig!“
Die
Verfolgungsjagd ging quer durch den Park hinein in die Innenstadt, wo
er wahrscheinlich hoffte, Ina zwischen den Menschen los zu werden,
doch diese war ihm dicht auf den Fersen, überzeugt davon, dass er
die Antwort auf all ihre Fragen war und so leicht gab sie nicht auf.
Im
Sportunterricht hätte sie bereits nach den ersten Sekunden
aufgegeben, aber hier ging es um mehr: um viel mehr. Wie verbissen
rannte sie. Auch
wenn ihre Beine schon nach den ersten Metern streikten. Sie musste
ihn kriegen!
Mit
vielen Entschuldigungen und 'Achtung'
kämpfte sie sich durch die entgegenkommenden Leute. Manchmal hatte
sie sogar Glück und der flüchtende
Mann
schubste ihr die
Passanten bereits aus
dem Weg. Um ihm etwas zu zubrüllen, hatte sie nicht mehr genug Luft.
Schlitternd
bog er um
eine Ecke in eine kleinere Straße ab und
direkt in die Nächste. Er
schlug Haken bis sie in einer kleinen Gasse landeten. Für
einen Moment zögerte
er,
welche Richtung er wählen sollte, sodass Ina ihn trotz ihres großen
Abstands einholen konnte.
Beherzt
stürzte sie sich auf den Mann und riss ihn zu Boden. Mit den Knien
hielt sie ihn unten.
„Wer
bist du?“, keuchte er und machte keine Anstalten sich zu befreien.
„Ich
bin Ina“, verkündete diese triumphierend und nach Luft ringend.
„Wo
hast du gelernt?“
„Selbstverteidigungskurs und Tekken.“
„Selbstverteidigungskurs und Tekken.“
„Tekken?“,
fragte er verwundert.
„Weißt
du, das ist so ein Spiel ...“, fing Ina mit der Erklärung an, doch
er unterbrach sie:
„Du
bist kein Wächter?“
„Nö.“
Das
hätte Ina lieber nicht sagen sollen. In Sekundenschnelle hatte er
ihre Griffe gelöst. Ein schneller Schlag auf ihr
Kinn und Ina brach
bewusstlos zusammen.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen