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Dämonen und so - Kapitel 18



Liebe macht blind



Emil war gerade auf dem Weg zu seinem Fahrrad, als er eine vertraute Stimme hinter sich seinen Namen rufen hörte. Er drehte sich um und war erstaunt, Lilian vor sich zu haben.
„Emil!“ Sie hielt schnaufend bei ihm an. „Bist du okay?“
„Eh ... ja.“ Emil sah sie fragend an.
„Ich hatte nur dieses Gefühl, als hätte Marie wieder etwas vor und ...“ Lilian schnappte nach Luft. „Es ist also nichts passiert?“
Verneinend schüttelte Emil den Kopf.
„Oh. Dann tut das mir unglaublich Leid, hier aufgekreuzt zu sein.“
„Wieso?“
Einen Augenblick sah Lilian ihn entgeistert an, doch dann begann sie zu lächeln und meinte mit betont sarkastischer Stimme:
„Ja, warum eigentlich?“
„Das weiß ich auch nicht“, gab Emil zu.
Es war Lilians Lachen, das die angespannte Stimmung zwischen den Beiden auflöste. „Nun gut. Dann bin ich den ganzen Weg umsonst gerannt. Ich dachte, du würdest wieder etwas dummes anstellen.“
„Was sollte ich denn dummes anstellen?“
„Mhm... lass mich kurz überlegen.“ Sie überlegte gespielt. „Dich von einer bösen Hexe in einen Frosch verwandeln lassen zum Beispiel.“
„Du hast das mit der Kostümparty immer noch nicht vergessen?“
„Warum? Oh, entschuldige. Ich vergaß.“
„Ist schon in Ordnung“, winkte Emil ab. „Das meine ich nicht. Ich meine dieses peinliche Kostüm.“
„Ich fand es stand dir sehr gut.“
„Meinst du?“
„Du solltest öfter grün tragen. Auch wenn dir schwarz auch sehr gut steht“, bemerkte Lilian, während sie seine Kleidung inspizierte.
„Du trägst aber auch fast immer schwarz.“
„Da hast du Recht. Es hält einfach die Gerüchte, die über mich existieren, aufrecht.“
„Dass du eine Lesbe bist?“
„Und dass ich Männer zum Frühstück verputze. Dabei benutze ich nicht einmal schwarze Schminke“, beschwerte sich Lilian und deutete auf ihre Augen, bei denen Emil nicht genau erkannte, ob sie nun geschminkt waren oder nicht, doch eine ganz andere Frage brannte ihm auf der Seele:
„Bist du eigentlich lesbisch?“
Lilian verstummte plötzlich und ihre Gesichtszüge versteiften sich. Nachdenklich fuhr sie mit ihrer Zunge über ihre Lippen, bevor sie ihm mit belegter Stimme antwortete:
„Ganz ehrlich? Keine Ahnung. Aber da ich keine Beziehung mit Männern haben kann, du weißt schon wegen dem Succubusding ... bleibt mir nicht viel anderes übrig.“
Mit der Antwort hatte Emil nicht gerechnet und er überlegte verzweifelt, wie er darauf antworten sollte, doch etwas besseres als „Verstehe“ fiel ihm nicht ein.
„Tja, da kann man nichts machen. Das Leben als Succubus ist hart.“ Lilians Lächeln ließ Emils Anspannung dann doch wieder schwinden. „Was machst du in den Osterferien?“
„Keine Ahnung. Die fangen doch erst Freitag an.“
„Ja, stimmt. Ich habe ja keine Schule mehr, also kriege ich das nicht mehr so mit.“
„Du bist fertig mit der Schule?“, stieß Emil ungläubig hervor.
„Ja, ich mache jetzt mein Abi.“
Emils Augen verengten sich misstrauisch: „Wie alt bist du?“
„19.“
„Dann bist du älter als ich!“
„Scheint so.“
Emils nächster Gedanke enthielt irgendetwas von älteres Mädchen geküsst, bis er Lilians Blick bemerkte, der abgeschweift war und auf etwas starrte, das hinter ihm war. Er erkannte Martin, der auf die Beiden zukam. Lilian wirkte nervös.
„Ich sollte lieber gehen“, murmelte sie. „Pass auf dich auf, Emil.“ Ein Lächeln zog über ihre Lippen, dann war sie auch schon schnellen Schrittes Richtung Hoftor unterwegs.
„Was wollte sie denn?“, fragte Martin, als er bei Emil angekommen war.
„Weiß ich ehrlich gesagt nicht so genau.“
„Übrigens Marie sucht dich.“
„Warum sucht sie mich?“
„Weiß ich nicht genau. Sie meinte nur, sie wollte dir was sagen. Und weißt du was das heißt?“
Emil sah ihn verständnislos an.
„Du magst sie doch schon so lange. Ich wette, das wird heute noch was.“
„Ach Unsinn. Warum sollte sie etwas von mir wollen?“
„Mehr Selbstvertrauen, Emil!“, versuchte Martin ihm Mut zuzusprechen.
„Selbstvertrauen kann mich mal.“ Emil wurde zunehmend unruhiger. „Was soll ich denn sagen?“
„Du hast doch schon mit ihr zusammen gelernt.“
„Da haben wir aber auch nicht viel geredet.“
„Ich hab ihr gesagt, ich würde dich holen. Sie wartet sicher schon.“
„Okay, okay. Gib mir fünf Minuten!“
„Die hast du nicht. Jetzt geh schon!“ Martin gab ihm einen leichten Schubs in den Rücken. „Wird schon alles gut gehen.“
Emil holte tief Luft. „Ich mach's jetzt einfach“, sagte er mehr zu sich selbst, als zu Martin und ging schnurstracks zurück ins Gebäude.

Marie wartete auf der Treppe auf ihn. Sie sah einfach umwerfend aus, in dem schmalgeschnittenen, langen Top und der engen Jeans.
Emil nahm allen Mut zusammen und versuchte sich nicht zu verhaspeln, als er sprach: „Hi, Martin sagte, du hattest mich gesucht. Du suchtest mich. Ach wie auch immer.“ Wie immer in solchen Situationen mit Marie, spürte er wie er rot anlief und seine Knie weich wurden.
„Ja.“ Marie lächelte ihn an. „Können wir uns kurz setzen?“
Emil nickte nur steif und setzte sich neben Marie, die sich auf der Treppe niederließ. Sie faltete ihre Hände, bevor sie anfing zu sprechen:
„Nun, Steffi und Lisa sind beide die Osterferien über auf Mallorca.“ Warum erzählte sie ihm das eigentlich? „Ich kann leider nicht mit, weil ich ein Fotoshooting in Bremen habe. Das wäre eine gute Gelegenheit Urlaub im Ferienhaus meiner Eltern an der Nordsee zu machen.“
Sie sah plötzlich zu Emil auf. „Hättest du Lust mich zu begleiten?“
Emils Herz fing schmerzlich an zu rasen, doch so leicht fiel Emil diesmal nicht darauf herein:
„Und warum gerade ich?“
„Du hast mir sehr beim Lernen geholfen. Ich habe sogar eine Zwei geschafft. Ich denke, dass wir sicher auch in anderen Fächern für die Schule lernen könnten.“
Eigentlich brauchte Emil normalerweise nicht zu lernen, es klappte auch so ganz gut mit den Noten. Nur in Physik und Mathe war er eine Niete, aber das wollte er ihr jetzt bestimmt nicht sagen.
Plötzlich spürte er, wie sie seine Hand berührte und zuckte sofort zusammen. Sie umfasste sie mit beiden Händen. Ihre blauen Augen blinzelten ihn erwartungsvoll an. „Bitte. Du hast mir schon so oft geholfen! Ich möchte einfach nicht alleine fahren.“
Wann hatte er ihr denn geholfen? Beim Lernen und genau: Das eine Mal mit diesem Typen in der Eisdiele.
„Was war das eigentlich damals für ein Typ?“, fragte Emil. So leicht würde er sich nicht überreden lassen.
„Welcher?“, fragte Marie aus dem Konzept gebracht.
„Der in der Eisdiele.“
„Ach, der ...“ Marie senkte theatralisch die Stimme. „Der hat mich betrogen mit irgendeiner Anderen. Deshalb war ich so fertig danach. Aber zum Glück warst du ja da.“
Ihre Finger begannen leicht Emils Hand zu streicheln und jetzt glaubte er, sein Herz würde in seiner Brust zerbersten. Er saß also auf der Treppe, händchenhaltend mit dem Mädchen, das er liebte, die ihn in ihr Ferienhaus einlud und er glaubte immer noch, sie wolle ihm etwas Böses? Genau genommen, hatte sie ihm noch nie etwas Böses getan. Lilian hatte ihn ins Krankenhaus befördert, nicht Marie. Sie war immer nett zu ihm gewesen und sie war wunderschön, besonders wenn sie lächelte.
„Ich würde mich wirklich freuen, wenn du mitkämst.“
„Okay.“
„Okay?“, fragte Marie verwirrt.

„Ich komme mit.“
„Achso. Ja, natürlich. Schön.“ Marie schien total aus ihrem Konzept gebracht. „Ich wollte Freitag direkt los. Sollen wir uns nach der Schule direkt treffen?“
Emil nickte. Ein weiteres Wort brachte er nicht hervor.
„Hast du ein Auto?“
Ein Kopfschütteln.
„Gut, ich habe eins. Dann treffen wir uns nach Physik am Parkplatz?“
Ein Nicken.
„Also.“ Marie löste ihre Hand von Emils. „Wir sehen uns dann.“ Sie machte Anstalten aufzustehen, besann sich dann aber anders, beugte sich noch einmal hinunter und gab Emil einen Kuss auf die Wange. „Ciao.“ Und mit einem Lächeln auf den Lippen verschwand sie.
Weitere fünf Minuten konnte Emil weder etwas sagen, noch sich bewegen. Ein Urlaub. Im Ferienhaus. Mit Marie. Er war der glücklichste Mensch auf Erden.

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