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Wunderland-Intermezzo - Kapitel 2

Der stumme Wald


Als es langsam Abend wurde und die Sonne rot über dem Horizont stand, erreichte ich einen Wald. Es war wirklich, wie man es aus Geschichten und Filmen kennt. Das Grasland hörte auf und plötzlich stand ich auf der Grenze: Hinter mir Gras, vor mir Meterhohe Bäume, die dicht an dicht standen und dazwischen war es natürlich finsterer, als die Nacht, die mich bald umfangen würde.
Ich schätze es dauerte eine halbe Stunde, bis ich Vor- und Nachteile abgewogen hatte im Wald oder außerhalb des Waldes zu nächtigen. Doch auch, wenn das Argument: „Der Wald hat mehr Angst vor dir, als du vor ihm“ zunächst doch recht plausibel klang, entschied ich mich vor dem nächsten Morgen nicht in diesen unheimlichen Wald zugehen und suchte mir einen Schlafplatz am Rande des Waldes.
Ich ging einfach die Grenze ab, an dem die unheimlichen Bäume aufhörten, jedoch in einigem Abstand, denn ich bildete mir ein, sie würden mich fressen, wenn ich ihnen zu nahe kommen würde.
Ich war noch nicht lange gelaufen, da tauchte plötzlich in der Ferne wie aus dem nichts ein Turm auf. Es war wirklich Zufall, dass ich ihn gefunden hatte und je näher ich kam, desto mehr erkannte ich das alte Gemäuer, das ringsherum von einer Mauer umgeben war.
Das verrottete Holztor stand offen und gewährte mir einen Blick ins Innere der Mauer. Auch hier war alles verlassen.
Wie aus Reflex, zog ich mein Schwert und erschreckte mich erstmal, dass ich plötzlich ein Schwert in der Hand hielt.

Nachdem der erste Schreck vorbei war, nahm ich allen Mut zusammen und trat über die Schwelle. Zu meiner Überraschung, knallten die Türen nicht hinter mir zu, noch passierte sonst irgendetwas. Der Turm war wirklich verlassen und würde mir einen hoffenlicht warmen und trockenen Schlafplatz diese Nacht bieten.
Von innen war der Turm total ausgenommen, nichts befand sich mehr darin. Das heißt es gab keine Treppen noch Möbel. Er war einfach leer und das verunsicherte mich. Als ich zur Decke hochblickte, sah ich, dass das Dach von Löchern übersäht war. Wirklich trocken würde es also hier nicht werden.
Ich warf einen Blick zurück auf die Ebene hinter den Mauern, wohinter der dunkle Wald ragte. Ein Schauder durchfuhr mich und ich redete mir ein, dass der Turm bestimmt ein sicherer Ort sei, als der Wald. Die Sonne war schon vollständig untergegangen und der Wald erschien noch dunkler, als vor einigen Minuten.
Langsam merkte ich wie kalt es ohne die Sonne geworden war. Deswegen ging ich erst ein bisschen im Turm auf und ab, setzte ich kurz, bis es zu kalt wurde, lief dann wieder herum. Das ging so eine ganze Weile, bis ich merkte, dass ich nicht müde wurde.
Nicht weil ich mich die ganze Zeit bewegte, ich war einfach nicht müde. Sonst war ich immer eine der ersten die bei jeder Gelegenheit ein Nickerchen machte.
Ich vermutete, dass es der Wald und der Turm sein mussten, die mich beunruhigten und ich deshalb keinen Schlaf fand, doch je länger ich wartete und versuchte einzuschlafen. Es ging einfach nicht, ich verspürte keinerlei Müdigkeit und merkte, dass ich keinen Schlaf brauchte.
Natürlich hätte ich daraufhin einfach bis zum nächsten Morgen warten können, doch diese Erkenntnis gab mir ein Gefühl der Unverwundbarkeit.
So kam ich wahrscheinlich auch auf die blöde Idee in den Wald zu gehen. Er machte mir nun keine Angst mehr. Ich brauchte keinen Schlaf. Was sollte mir also schon passieren?
Ich stapfte also schnurstracks mit dem Schwert in der Hand Richtung Wald. Er übertritt war wirklich so wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Kaum hatte mein Fuß die Schwelle überschritten, umfing mich eine erdrückende Dunkelheit. Als ich zurück sah, hatte der Weg hinter mir sich verschlossen und ich sah nur noch Bäume, die dort dicht an dicht standen. Zurück konnte ich also nicht mehr.
Also führte ich einfach meinen Weg fort. Ich hatte schließlich mein Schwert dabei. Richtig, in diesem Moment war es mein Schwert geworden. Es war ein Teil von mir und es würde mich beschützen.
Das einzige, das mich bunruhigte war, dass es keinerlei Geräusche in dem Wald gab. Nicht einmal meine Schritte hörte ich, als ich mir meinen Weg durch das dunkle Dickicht bahnte. Absolut nichts. Es war als hätte jemand den Ton abgestellt.
Nach einiger Zeit erreichte ich endlich ein Stück des Waldes, in dem das Mondlicht durch das Blätterdach fiel. Ich fand eine kleine Lichtung auf, der ich, zu meiner Verwunderung, den Wind hören konnte und ich lauschte ihm einige Zeit. Es war angenehm nach so langer Stille wieder ein Lebenszeichen wahr zu nehmen.
Ich schloss also die Augen und atmete die frische Luft in tiefen Zügen ein, als ich mich plötzlich etwas von hinten packte. Kaum dass ich mich versah, hatte ich eine Klinge am Hals und war unweigerlich in einem Griff gefangen.

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