Wie schon erwähnt habe ich einen Beitrag zum Kurzgeschichtenbuch der Yukon, einer Anime-Manga-Convention verfasst. Ich hatte unglaublich lange auf einen Geistesblitz gewartet, doch er kam einfach nicht und dann stand die Deadline vor der Tür. Eine Idee musste schnellst möglich her und musste noch vollständig ausgearbeitet werden. Insgesamt habe ich nur drei Tage daran gearbeitet. Ich dachte zwei Wochen wären schnell gewesen. Aber diese drei Tage waren wirklich arbeitsintensiv. Zwei Tage habe ich noch an der Handlung gefeilt. Als ich dann am dritten trotz fehlender Worte anfing zu schreiben, war das Ende immer noch nicht klar. Ich habe also den ganzen Tag einfach nur noch an diesem Text gesessen. Aber ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis.
Die Geschichte war übrigens auf fünf Seiten limitiert. Zunächst dachte ich, dass ich es nie schaffen würde. Am Ende musste ich dann sogar brutal kürzen.
Das Thema war Halloween aber ich konnte es mir nicht nehmen lassen eigentlich wieder Action-Fantasy daraus zu machen. Ein bisschen gruselig ist es hoffentlich auch geworden.
Die Geschichte war übrigens auf fünf Seiten limitiert. Zunächst dachte ich, dass ich es nie schaffen würde. Am Ende musste ich dann sogar brutal kürzen.
Das Thema war Halloween aber ich konnte es mir nicht nehmen lassen eigentlich wieder Action-Fantasy daraus zu machen. Ein bisschen gruselig ist es hoffentlich auch geworden.
Fauler
Zauber
Ich kann
verstehen, warum man so einem Mistwetter nicht draußen sein möchte.
Was ich aber nicht verstehe ist, warum mein Kater erst zehn Minuten
unentwegt an der Tür kratzt, um dann, sobald ich heraus komme, unter
den nächst gelegenen Baum zu flüchten. Es gibt nur eine
Möglichkeit, wie ich dieses Spiel beenden kann.
Ich
schlüpfe in meine Stiefel ohne sie zu zu binden und wate durch den
Matsch und den prasselnden Regen zu dem Baum. Noch bevor Oskar
begreift, was hier eigentlich vorgeht, habe ich ihn gepackt und auf
meinen Arm gezerrt, wo er hilflos mit den Beinen strampelt und mich
empört ansieht. Das ignoriere ich und mache ich mich auf zurück zur
Tür, von der ich leider festzustellen muss, dass sie zugefallen ist.
Ich fluche innerlich und verlagere Oskar auf die Seite, um in der
Sporthosentasche meinen Schlüssel zu suchen. Oskar versucht
währenddessen über meine Schulter zu türmen.
Meine
Hand fährt in die zweite Tasche und als diese genauso leer ist wie
die erste, wird mir mulmig zumute. Ich habe mich doch tatsächlich
ausgesperrt. Mein Griff lockert sich und Oskar nutzt dies um von
meinem Arm zu springen. Für einen Moment sieht er noch zu mir hoch
und miaut, dann prescht er durch den Regen davon. Seufzend lehne ich
mich an die Tür unter das kleine Vordach. Keines der Fenster ist
offen, da bin ich mir sicher. Und meine Eltern würden nicht vor
morgen früh von der Party zurück sein.
Vor mir
führt die Wiese einen leichten Abhang hinauf und verdeckt den Blick
auf das dahinter liegende Feld, in dessen Richtung Oskar verschwunden
war. Nur wegen ihm stehe ich jetzt nur in Jogginghose, schlabber
T-Shirt und meinen losen Winterstiefeln vor der Tür. Nun, wenigstens
die Schuhe könnte ich zubinden.
Blitze
erhellen in regelmäßigen Abständen den Nachthimmel in einem kalten
weiß-blau. Das Licht kommt mir so unwirklich vor. Beinahe passend
für eine solche Nacht. Man sagt ja, die Nacht vor Allerheiligen wäre
die Nacht der Untoten und bösen Geister. Früher haben die Leute
deshalb Lichter und Gruselige Puppen nach draußen gestellt. Heute
macht das leider keiner mehr.
Als ich
gerade überlege, den längeren Weg zu den Nachbarn auf mich zu
nehmen, zieht ein weiterer weißer Blitz über den Himmel und wird
sofort von dem grollenden Donner gefolgt. Doch diesmal ist es anders.
Rot mischt sich unter das kalte Licht. Ein roter Schleier, der direkt
von vorne zu kommen scheint. Ich versuche noch mir einzureden, dass
ich mich verguckt haben muss. Doch ich werde den Gedanken nicht los,
dass ich es mir doch nicht eingebildet habe. Ein Blick kann sicher
nicht schaden.
Ich
schlinge die Arme dichter an den Körper, atme tief durch und renne
den Abhang hinauf. Regen peitscht mir ins Gesicht, sodass ich schnell
Schutz unter dem nächsten Baum suche. Von hier hat man freie Sicht
auf das Feld. Doch was ich sehe, beruhigt mich nicht im geringsten.
Mitten zwischen den vertrockneten Resten der Ernte steht eine Person.
Ich erkenne nur ihren Rücken, doch sie ist schmal und recht groß.
Was tut jemand um diese Uhrzeit bei diesem Wetter draußen? Jemand,
der nicht von seiner Katze ausgesperrt wurde?
Einige
Zeit beobachte ich die Person, doch sie rührt sich kaum, sondern
zappelt nur etwas auf der Stelle. Sie scheint mit etwas beschäftigt
zu sein. Aber womit? Die Neugierde packt mich und ich nehme all
meinen Mut zusammen, um herüber zu rufen: „Hallo! Entschuldigen
Sie!“
Derjenige
reagiert nicht. Wahrscheinlich hört er mich wegen des Windes nicht.
Also trete ich hinaus in den Regen und gehe zu ihm hinüber. „Hey,
kann ich Ihnen helfen?“
Wieder
keine Antwort. Ich stehe fast hinter der Person, als sie mich immer
noch nicht bemerkt. Sie trägt einen schwarzen Umhang, der komplett
durchnässt ist. Die Kapuze ist über den Kopf gezogen, sodass ich
nichts erkennen kann. Mein Herz schlägt schneller in meiner Brust.
Aber ich fürchte mich nicht. Für alles gibt es eine logische
Erklärung. Außerdem stehen Verbrecher selten nachts im Regen auf
einsamen Feldern herum.
„Entschuldigung“,
beginne ich erneut mit lauter Stimme. „Haben Sie sich verlaufen?“
Nur
langsam dreht sich die Person um. Ihr Gesicht erkenne ich immer noch
nicht richtig, doch eine helle, aber eindeutig männliche Stimme
antwortet mir:
„Verschwinde,
Mädchen.“
Eigentlich
hätte ich gerne seiner freundlichen Aufforderung gehorcht, aber
meine Beine wollten sich nicht bewegen. Also stehe ich einfach nur
angewurzelt da und betrachte diese seltsame Erscheinung vor mir.
„Ich
sagte: Verschwinde!“ Er schreit beinahe und wendet sich mir so
schlagartig zu, dass ihm die Kapuze vom Gesicht rutscht. Zum
Vorschein kommt der Kopf eines Jungen, nicht viel älter als ich, mit
braunem Haar und einem kaum merklichen Bartwuchs. Er erstarrt in
seiner Bewegung, als er meinen Blick bemerkt.
„Wer
bist du?“, entfährt es mir, während ich ihn ungläubig anstarre.
In meinem Kopf türmen sich alle möglichen Gedanken, doch ich kann
sie nicht in Worte fassen.
„Ich
bin ein Geist.“ Seine Stimme ist ruhig. „Ich gehöre eigentlich
nicht hier hin.“
„Bist
du nicht.“
„Bin
ich doch“, zischt er zurück.
„Geister
sind durchsichtig.“
„Du...Du
kannst mich sehen?“, platzt es plötzlich aus ihm heraus.
„Nein,
ich brabble nur so vor mich hin.“ Ich verstehe zwar nicht, was das
Theater soll, aber dieser Junge ist genauso aus Fleisch und Blut, wie
ich es bin.
„Verdammt.“
Er fängt an etwas in seinen kaum vorhanden Bart zu murmeln. Dann
hebt er mit einem Mal die Arme und fängt an mit den Fingern zu
fuchteln. „Ich bin ein Hexenmeister und wenn du nicht sofort
verschwindest, werde ich -“
Ich
lasse ihm erst gar nicht ausreden. „Was machst du hier draußen?“
„Pass
auf mit wem du dich anlegst.“
„Aber
ich will mich doch überhaupt nicht mit dir anlegen“, entfährt es
mir ohne dass ich mir sicher bin, dass er mit seinem Satz fertig
gewesen wäre. „Ich möchte einfach nur wissen was du hier machst.“
„Gut.“
Er verschränkt die Arme und sieht mich von oben herab an. „Wenn du
es wissen willst: Ich beschwöre einen Dämon.“
„Auf
offenem Feld?“
„Natürlich
auf offenem Feld! Es muss doch genug Platz da sein, wenn er
erscheint.“
Ich sehe
mich um und dann zum Himmel. „Ziemlich schlechtes Wetter für eine
Dämonenbeschwörung, oder?“
„Ich
hab mir das Wetter in der Allerheiligen Nacht nicht ausgesucht“,
knirscht der Junge. „Ach, ich habe dafür keine Zeit.“ Er wendet
den Blick von mir ab und beginnt wieder damit etwas mit seinen Händen
zu tun.
Vorsichtig
gehe ich ein Stückchen um ihn herum, um erkennen zu können, was er
da tut. Er dreht ein Amulett zwischen seinen schmutzigen und kaputten
Fingern, das an einer goldenen Kette hängt. Die leisen Worte, die er
murmelt, dringen nur spärlich an mein Ohr. Lange Zeit passiert
einfach nichts. Ich erkenne, das seine Hände zittern und auch seine
Stimme wird mit der Zeit unruhiger. Doch mit einem mal fühlt es sich
merkwürdig an. Der Regen prasselt nicht mehr auf uns herab, sondern
fließt zäh hinunter. Rotes Licht erfüllt die Luft und schießt
plötzlich zum Himmel hinauf. Ruckartig reiße ich den Kopf hoch und
sehe, wie das Licht die Wolkendecke durchbricht. Als würde für
einen Moment die Zeit still stehen, so stoppt auch mit einem mal der
Regen. Noch bevor ich begreife, was gerade passiert oder was
passieren könnte, ist es auch schlagartig vorbei. Die Dunkelheit der
Nacht fällt wieder auf uns herab und eine kalte Dusche von Regen
ergießt sich über mir.
„Scheiße!“,
schreit der Junge und wirft weitere Flüche gegen den Himmel. Ich
schätze, was immer er vorhatte, hat nicht so geklappt wie er es
wollte. Und es war bereits sein zweiter Versuch. Schlussendlich fällt
er auf die Knie und bleibt regungslos am Boden sitzen. Er macht einen
bemitleidenswerten Eindruck.
„Warum
willst du denn einen Dämonen beschwören?“, frage ich mit ruhiger
Stimme.
„Das
geht dich nichts an!“, blafft er zurück.
„Warum
ist es dir so wichtig?“ War das hier irgendein Test? Oder half ich
gerade bei der Vernichtung der Welt, indem ich ihn versuchte
aufzumuntern?
Ich
hatte schon gar nicht mehr mit einer Antwort gerechnet, als er
plötzlich anfängt: „Ich bin auf der Flucht. Sie suchen mich,
weil...“
„Weil?“,
hake ich nach. Dem Jungen muss man alles aus der Nase ziehen.
„Weil
ich das hier gestohlen habe.“ Er hält das Amulett in die Höhe und
richtet sich auf. „Dieses mächtige Artefakt enthält die Essenz
von Rubirium.“
„Du
meinst Rubin“, verbessere ich ihn.
„Nein,
Rubirium. Das ist eine der mächtigsten Substanzen im ganzen
Universum.“
„Scheinbar
funktioniert sie nicht besonders gut.“
Er hat
schon den Mund geöffnet, um etwas zu erwidern, als er hektisch den
Kopf zur Seite dreht. Er murmelt einen Fluch und packt mein
Handgelenk. „Weg hier!“
So
schnell wie er losrennt komme ich überhaupt nicht mit und stolpere
hinter ihm her. Mit aller Kraft stemme ich mich in den Boden, damit
er anhält und versuche seine Hand zu lösen.
„Halt!
Wo willst du hin?“
Er sieht
mich irritiert an, als im selben Moment eine riesige Lichtkugel neben
uns einschlägt und mich nach hinten wirft.
Der
Boden ist weich auf dem ich lande, nur ein getrockneter Stängel
zerkratzt mir den Oberarm. Mein Herz rast. Sofort rappel ich mich
wieder auf. Meine Beine zittern und es fällt mir schwer gerade zu
stehen. Etwas entfernt von mir sehe ich den Jungen, der sich
ebenfalls nur schwerlich vom Boden erhebt.
„Wo immer ihr seid, kommt raus!“, ruft er, kaum dass er gerade steht, in die Nacht hinein. Stille. „Na gut...“ Er trägt das Amulett immer noch in den Händen und umschließt es jetzt mit allen Fingern. Rotes Licht umhüllt seine Hand. Wie Flammen schlängelt es sich um seine Faust herum und türmt sich zu einer riesigen Kugel auf. Mit einem Mal lässt er seine Faust zu Boden sausen. Die Kugel löst sich von dem Amulett und... löst sich in Luft auf.
„Wo immer ihr seid, kommt raus!“, ruft er, kaum dass er gerade steht, in die Nacht hinein. Stille. „Na gut...“ Er trägt das Amulett immer noch in den Händen und umschließt es jetzt mit allen Fingern. Rotes Licht umhüllt seine Hand. Wie Flammen schlängelt es sich um seine Faust herum und türmt sich zu einer riesigen Kugel auf. Mit einem Mal lässt er seine Faust zu Boden sausen. Die Kugel löst sich von dem Amulett und... löst sich in Luft auf.
„Sollte
das so sein?“, frage ich mit zitternder Stimme. Er antwortet nicht
und macht nur auf dem Ansatz kehrt und rennt davon. „Hey!“
Gerade
noch rechtzeitig renne ich los, denn die nächste Kugel schlägt
bereits an der Stelle ein, an der er gerade noch gestanden hat. Meine
Beine laufen wie von alleine, aus Angst zu erfahren, was passiert,
wenn eine der Kugeln treffen würde. Wir hetzen wie Hasen in Zickzack
über das Feld. Während ich ihn in meiner Panik anflehe mir zu
sagen, was hier eigentlich los ist, scheine ich für ihn überhaupt
nicht zu existieren.
Der Rand
des Feldes, an dem die Bäume wieder anfangen, kommt immer näher.
Ich wage es nicht, mich umzublicken. Adrenalin rauscht durch meinen
Körper und mein Kopf ist nur mit einer einzigen Sache beschäftigt:
Bloß nicht zu stolpern. Sonst ist es vorbei. Doch noch im gleichen
Moment spüre ich wie sich etwas um meinen Fuß schlingt. Ich komme
aus dem Gleichgewicht, schaffe es aber weiter zu laufen. Dann höre
ich plötzlich ganz in der Nähe einen dumpfen Schlag. Ich wende den
Blick kurz ab, um zu sehen, dass der sogenannte Hexenmeister sich der
Länge nach hingelegt hat. Auch wenn ich es besser wissen müsste,
ändere ich intuitiv meine Laufrichtung und renne zu ihm hinüber.
Ich schaffe es gerade noch rechtzeitig ihn zurück auf die Beine zu
ziehen, bevor die nächste Kugel einschlägt. Meine Finger
verkrampfen sich um den Stoff seines Umhangs, sodass ich es nicht
schaffe ihn wieder loszulassen. Doch ich habe nur einen Gedanken: Weg
hier. Diesmal bin ich deshalb diejenige, die ihn mit sich zieht, doch
er gibt ausnahmsweise keinen Ton von sich.
Als wir
den Rand endlich erreichen, ist es wie eine Erleichterung. Ich löse
meinen Griff und merke wie taub meine Hand geworden ist. Meine
weichen Beine wollen mich nicht mehr tragen und ich lasse mich hinter
einem dicken Baumstamm nieder, als könnte er mich vor den Kugeln
schützen. Als der Junge sich ebenfalls schwer atmend fallen lässt,
weiß ich dass die Bäume uns scheinbar wirklich schützen können.
Ein
„Warum?“ ist alles, was ich mit meinem rasenden Herzen heraus
bekomme.
Keine
Antwort. Nun ich habe meine Frage ja auch nicht besonders präzise
gestellt.
„Was
war das? Wer sind die? Warum?“ Ich schnappe nach Luft. “Warum
hast du dieses unnütze Ding gestohlen?“
Als
wieder keine Antwort kommt, schaue ich zur Seite und sehe, wie er
zusammengesunken, den Kopf auf den Knien, neben mir hockt. Er scheint
total weggetreten. Seine Augen starren ins Leere. Das Amulett
umklammert er immer noch mit den Fingern. Die Verletzungen an seinen
Fingern sind schlimmer geworden. Ob das von dem Amulett kommt?
Ich
strecke meine Hand nach ihm aus und will seine Schulter fassen, doch
noch bevor meine Finger ihn berührten, zuckt er zusammen. Er windet
sich und ich sehe, dass er Schmerzen leidet. Aber warum? Ich kann
keine äußeren Verletzungen erkennen.
„Was
ist los mir dir?“, frage ich, doch er hört nicht auf zu zittern
und sich zu krümmen. Er antwortet mir nicht mehr und in dieser
Stille höre ich Schritte durch das Laub brechen.
Keine
Sekunde später stehen sie vor mir: Drei Gestalten, die in schwarze
Umhänge gehüllt sind. Als würde der Anblick der Drei ihm
schlussendlich den Rest geben, spüre ich, wie der Hexenmeister neben
mir zusammenbricht und zur Seite wegkippt. Nicht nur, dass er mich
hier rein gezogen hat. Jetzt lässt er mich auch noch im
entschiedenen Moment alleine!
Auch
wenn ich ihre Gesichter nicht erkennen kann, spüre ich, wie die drei
Gestalten mich beobachten. Mit langsamen Schritten kommen sie auf uns
zu.
Zitternd
drücke ich mich fest gegen den Baumstamm. Ich hatte doch überhaupt
nichts mit der Sache zu tun! Er hatte das dumme Amulett gestohlen und
nicht ich. Ich bin nur die Unglückliche, die gerade heute Nacht von
ihrem blöden Kater ausgesperrt werden musste. Ich habe nichts mit
diesem Amulett zu tun!
Auf
einen Schlag wird mir alles klar: Das Amulett. Sie wollen das
Amulett!
Geistesabwesend
greife ich nach der Kette, die zwischen seinen Fingern hervorlugt und
ziehe daran. Er hält er das Amulett immer noch fest umklammert,
sodass es keinen Zentimeter nachgibt. Hastig blicke ich mich um. Sie
sind nur noch knappe zwei Meter entfernt. Ich glaube etwas weiß
aufleuchten zu sehen, das kein Blitz ist. Panik ergreift mich und ich
verkralle meine Hände in seinen, um seine Griff aufzubiegen. Mit
aller Kraft drücke ich.
„Nein“,
keucht er und versucht seine Finger wieder zu schließen. Der Junge
war also doch noch bei Bewusstsein.
Ich
zerre trotzdem weiter an seinen Händen. Er konnte ja gerne
beschlossen haben hier mit seinem kostbaren Amulett zu sterben. Doch
ich nicht! Zu meinem Glück sind seine Hände verschwitzt, sodass ich
es schaffe ihm das Amulett aus den Händen zu reißen.
„Nein!“
In seinem Schrei liegt so viel Bitterkeit. „Tu das nicht!“ Er
versucht meinen Arm, der gerade zum Werfen ausholt zu packen. Doch er
erwischt mich einen Moment zu spät und das Amulett segelt bereits
durch die Luft. Genau vor die Füße der drei Vermummten.
Mein
Herz setzt einen Schlag aus. Aus Furcht, was als nächste passieren
wird, erstarre ich augenblicklich. Die mittlere Gestalt bückt sich
und hebt das Amulett vom Boden auf. Es sieht fast so aus, als würde
sie es begutachten. Der Hexenmeister lässt meinen Arm schlagartig
los und versucht aufzustehen, um sich das Amulett zurück zu holen,
doch eine unsichtbare Kraft drückt ihn zurück auf den Boden, wo er
regungslos liegen bleibt.
Ich wage
es kaum, zu atmen. Dann hebt der Vermummte den Kopf und ich sehe nur
zwei rote, glühende Punkte, die mich fixieren. Ich versuche zu
Schlucken, doch es bleibt mir wie ein Kloß im Hals stecken. Was
werden sie jetzt mit mir anstellen?
Ein
plötzliches Rascheln im Laub lässt uns beide den Blick abwenden und
ich erkenne Oskar, wie er auf den Vermummten zuspringt. Doch anstatt
ihm an den Hals zu fallen, wie ein treuer Hund das getan hätte,
beginnt er um ihn herum zu wuseln. Ich lasse alle meine Hoffnungen
fallen. Der Kater ist zu nichts zu gebrauchen. Zu meiner Überraschung
beugt sich die Gestalt jedoch zu Oskar herunter und krault ihm den
Kopf. Mein Kater guckte daraufhin zufrieden, als wäre er besonders
stolz. Stolz wie Oskar.
Als die
Gestalt sich wieder aufrichtet, sehe ich plötzlich wie aus dem
Nichts etwas auf mich zu geflogen kommt. Ich kneife die Augen
zusammen und bereitet mich schon einmal auf meinen baldigen Tod vor,
als das Ding genau vor mir landet. Es leuchtet nicht. Das beruhigt
mich schon einmal.
Auf den
zweiten Blick erkenne ich den Gegenstand sogar. Es ist mein
Schlüsselbund.
Irritiert
sehe ich auf und bemerke, wie die Gestalt vor mir nickt, als würde
sie mir danken. Dann beginnt das Schwarz der Umhänge zu verblassen
und mit dem Hintergrund zu verschwimmen und kurz darauf sind die
Umhangträger vollständig verschwunden.
Erschöpft
lasse ich meinen angespannten Körper fallen und sinke gegen den
Baumstamm. Um mich herum prasselt immer noch der Regen durch die
Baumkronen. Mein Kopf will das alles noch nicht verstehen, was gerade
passiert ist. Oskar kümmert das wenig. Er kommt zu mir hinüber und
macht es sich mit seinem vollen Gewicht auf meinem Bauch bequem. Ich
schnappe nach Luft.
Warum
hatten sich die Typen das Amulett nicht einfach geholt und woher
hatten sie meinen Schlüssel?
Ein
Stöhnen neben mir lässt mich den Kopf wenden. Der Junge ist wieder
bei Bewusstsein. Seine Finger sind immer noch kaputt und aufgerissen,
doch er scheint keine Schmerzen mehr zu haben, denn er richtete sich
zwar schwerfällig, aber ohne Hilfe auf. Sein Gesicht ist von oben
bis unten dreckig, als er zu mir sieht. Ich kann die Verwirrung in
seinen Zügen lesen.
„Warum
hast du das getan?“, flüstert er verbittert.
Ich
hatte weder eine Entschuldigung erwartet, noch ein „Danke“ aber
die Frage ging zu weit.
„Dein
Leben gerettet, du Idiot!“, fahre ich ihn
an und werfe dabei
Oskar von meinem Schoß. „Du tauchst hier auf und ziehst
mich in eine Sache rein, mit der ich rein gar nichts zu tun habe und
die mich fast umgebracht hätte.“
„Ich
habe dich in überhaupt gar nichts hinein gezogen!“ Er beugt sich
nach vorne, um bedrohlicher zu wirken. „Dazubleiben war deine
eigene Entscheidung!“
„Wie
machthungrig kann man eigentlich sein, ein Amulett nicht herzugeben,
das einen umbringt?“ Ich spüre wie sich meine Hände zu Fäusten
ballen.
„Du
versteht nicht, wie unglaublich wichtig dieses Amulett war!“
„Nein
das tue ich nicht! Und ganz ehrlich: Ich verstehe nichts hiervor.
Nicht von Magie. Nicht von diesen Typen und ganz sicher nichts von
dir. Und das möchte ich auch lieber nicht.“ Ich funkle ihn böse
an. All meine Wut liegt in diesen Worten und es tut so gut, ihm
endlich die Meinung zu sagen.
Darauf
weiß er nichts mehr zu erwidern. Wir starren uns
noch einige Momente lang an, dann steht er auf, greift in seine
Tasche und drückt mir eine schwarze Perle in die Hand.
Ich
lasse sie augenblicklich fallen, aus Angst es könnte irgendeine
Falle sein. Doch nichts passiert. Was hatte ich auch anderes bei ihm
erwartet?
„Sie
ist nicht gefährlich“, versichert er mir mit ruhiger Stimme. „Sie
ist, damit du dich erinnerst.“
„Also
werde ich das Ganze hier wieder vergessen?“, frage ich verwundert
und hebe die Perle wieder auf. Natürlich. Ich hatte Magie gesehen.
Was hatte ich anderes erwartet?
„Das
wirst du auch. Aber mit der Perle wirst du dich an mich.“ Na toll.
„Es wäre doch ein Jammer, wenn du deine Begegnung mit dem
mächtigsten Magier aller Zeit vergessen würdest.“
Ich
lachte trocken auf. Er bemerkt mein falsches Lachen scheinbar nicht,
denn er grinst mich an. Mit keinem weiteren Wort bedankt er sich bei
mir, sondern wendet sich ab und geht.
Ich
überlege, ob ich ihm etwas hinterher rufen soll. Ob ich ihn fragen
soll, wohin er geht, was er vorhat. Doch ich weiß, das das keinen
Zweck hat. Er wird mir nicht antworten und ich würde ihn keine
Stunde mehr ertragen und Magie sowieso nicht.
Ich
richte mich auf und sehe ihm nach. Was für eine merkwürdige
Begegnung in so einer Nacht. Kurz überlege ich, ob ich die Perle
nicht doch lieber wieder fallen lassen sollte. Dann würde ich ihn,
wie alles andere hier vergessen. Etwas hält mich davon ab. Ihn
möchte ich nicht vergessen. Ich möchte ihn erkennen, wenn ich ihm
noch einmal begegnen sollte. Und nur aus einem einzigen Grund: um ihm
dann aus dem Weg zu gehen.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen