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Dämonen und so - Kapitel 25


Die Wahrheit


„Die Wahrheit also...“, begann Martin, als sich er und Emil auf dem Boden gegenüber saßen. „Ich denke, ich fange ganz vorne an.
Ich bin ein Seher, das heißt ich sehe die Zukunft und das dauernd. Ich weiß immer, was jemand sagen wird, ich weiß was im nächsten Moment geschieht. Aber ich bin damit aufgewachsen und habe mir antrainiert, so zu reagieren, als wüsste ich es nicht. Ich bin aufs Gymnasium gewechselt, als meine Ausbildung so weit war, dass ich mich nicht mehr verplapperte. Das war in der Sechsten. Du weißt ja noch, dass wir uns damals kennengelernt und angefreundet haben. Erst vor zwei Jahren habe ich dann die Auftrag erhalten, dass die Schule mein Aufgabengebiet sein soll.“
„Deshalb hast du bei Magic dauernd gewonnen!“, unterbrach ihn Emil. „Weil du wusstest, was ich spielen würde!“
„Sorry.“
„Ist schon okay. Kannst du ja nichts für.“

„Dann hast du dich in Marie verguckt. Ich habe als Freund natürlich versucht, dich darin zu unterstützen, auch wenn ich wusste, dass Marie kein Interesse an dir hatte. Aber Gefühle entziehen sich meistens meiner Sehkraft, da sie sich zu schnell ändern können.
Dann dieser Zwischenfall mit Lilian. Ich hab es zu spät gesehen und war nicht rechtzeitig dort. Glücklicherweise sah es aus, als hättest du einfach zu tief ins Glas geschaut, das wollte ich auch dich glauben lassen. Das hat ja zunächst auch geklappt.
Doch dann hat Marie angefangen sich für dich zu interessieren. Sie hat versucht, sich an deiner Quelle zu bedienen. Deswegen bist du auch krank geworden, weil sie dir Lebenskraft entzogen hatte.
Dann habe ich dir nicht die ganze Wahrheit über Sonia gesagt, aber das weißt du ja schon.
Am gleichen Abend hat Ina das dann mit Lilian und Marie herausgefunden. Ich konnte es nicht verhindern, weil ich nicht von dir wegkonnte, ohne dass es auffällig war. Außerdem wollte ich dir den Abend nicht noch mehr ruinieren. Also habe ich darauf vertraut, dass Sonia das selbst richtet.
Leider war Ina zu sturköpfig und überzeugt von der Sache, sodass es eine richtige Gedächtnisanpassung erforderlich gewesen wäre, um sie das Geschehen vergessen zu lassen.
Dir war es ja auch erstmal egal, da es dir so unwahrscheinlich erschien, dass es Übernatürliches geben sollte. Also ließ ich es darauf beruhen.“
„Aber Inas Gedächtnis wurde trotzdem gelöscht?“, hakte Emil nach. „Warum?“
„Nicht von mir. Marie hier hat versucht, ihr Gedächtnis zu manipulieren, weil Richard sie aus Versehen niedergeschlagen hatte, weil er glaubte, sie hätte etwas herausgefunden.“
„Richard?“
„Na, Richard, der … wo ist er eigentlich?“ Martin sah sich in dem Raum um, in dem nur noch sie beide, Lilian, Sonia und gegen ihren Willen Marie saßen. Von Richard war keine Spur zu erkennen. Marie zuckte auch die Schultern.
„Na egal“, fuhr Martin fort. „Sie wusste wirklich zu viel nachdem sie bei dir zu Hause aufgekreuzt war und das mit Lilian sicher herausgefunden hatte. Nun aber zu deinem Glück würde ich sagen, weil sie verhindert hat, dass Lilian deine Lebenskraft erneut gestohlen hätte.“
„Das wäre nicht nötig gewesen, wenn Emil von Anfang an auf mich gehört hätte“, unterbrach Lilian ihn. Als sie Emils fragenden Blick auffing, fügte sie hinzu: „Ich hab dich doch angerufen, weil ich ahnte, dass Marie etwas plante.“
„Ach du warst das!“, rief Emil aus. „Du hast dich dann aber arg kurz gefasst...“
„Ja, Richard war hinter mir her, weil auch Marie wusste, dass ich vorhatte, ihr Vorhaben zu unterbinden.“
„Du hättest einfach sagen können, dass du es warst“, schlug Emil vor.
„Hab ich vergessen...“, murmelte Lilian.
„Es hätte ohnehin nichts gebracht“, sagte Martin schulterzuckend. „Emil war an dem Tag mit Marie verabredet gewesen.“
„Wofür?“, fragte Lilian sofort.
„Nachhilfe“, brummte Emil.
Lilian nickte bedächtlich und sah dann zu Marie hinüber, die sie schief anlächelte.
„Nun“, fuhr Martin fort. „Ein kaputtes Fenster und ein verwirrter Emil. Ich wusste, dass Marie nun ihre Trumpfkkarte ausspielen wollte, bevor du ihr durch die Lappen gingst. Anstatt es zu verhindern, versuchte ich es so zu lenken, dass es gut ausgeht. Ich konnte Marie nicht sagen, dass sie nicht hexen darf, da ich wusste, dass Lilian versuchen würde dazwischen zu gehen, aber auch, dass sie zu spät kommen würde, wenn Marie sich beeilte.“ Er warf Marie einen kurzen Blick zu. „Okay, und danach wird’s kompliziert. Das war für mich auch total stressig, weil sich die Zukunft alle paar Minuten dauernd geändert hat.“
„Wie kann sich die Zukunft ändern?“, fragte Emil.
„In dem Dinge nicht so geschehen, wie sie geschehen sollten, durch Entscheidungen, Dinge, die ich nicht sehen kann. So habe ich nicht gesehen, dass Lilian ein Dämonenschwert mitbringen würde. Denn es war keines. Sie hat es nicht gestohlen. Ein guter Freund muss es weggeräumt haben, aber das erfahren wir erst viel später. Folglich glaubte ich auch, alles würde glatt laufen. Du würdest einen schönen Abend mit Marie verbringen, du würdest ihr die Quelle freiwillig geben und danach zufrieden wieder nach Hause fahren.“
„Meinst du ich wäre danach einfach nach Hause gefahren?“
„Die Zukunft sah so aus, aber du bist unberechenbarer, als ich dachte.“ Martin lächelte leicht. „Nachdem ich von Sonia erfuhr, dass Lilian das Schwert hatte, offenbarte sich für mich eine andere Zukunft. Sie brachte Ina mit, als Druckmittel für mich, so dachte sie. Aber ich sah es als Gelegenheit zu versuchen, dass du möglicherweise doch etwas an Ina findest.“
„An Ina?“, fragte Emil sarkastisch.
„Nun, wäre ja möglich gewesen. Ina sollte dich wegbringen und wenn du ihr gefolgt wärst, wäre es auch gut ausgegangen.
Aber du entschiedst dich ja, völlig gegen deinen Charakter, dafür zurück zu kehren. Und zu allem Übel dazu, deine Quelle einzutauschen. Damit wusste ich, dass du dich für Lilian entschieden hattest. Trotzdem wollte ich dich davon abhalten, deine Quelle abzugeben.  Lilian würde nur einen Moment bildlich ins offene Messer laufen und das hätte dir sicher nicht gefallen.
Erst als es passiert war, wusste ich, dass es kein echtes war. Und damit Lilian nicht sterben würde.“
„Und du wolltest mich nochmal schön Leiden lassen, indem du Sonia davon abgehalten hast, es rauszuziehen“, knurrte Lilian.
Martin setzte eine Unschuldsmiene auf. „Da wusste ich das noch nicht.“
„Na klar...“
„Du bist ja auch mit voller Absicht hineingerannt.“
„Also ist es doch gut ausgegangen“, sagte Emil schnell und sah von Lilian zu Martin. „Oder?“
„Naja...“, murmelte Martin.
Lilian hingegen lächelte. „Schon oder? Keiner ist umgekommmen. Marie hat fast ihre Quelle bekommen, aber eigentlich doch nicht.“ Sie zählte es an den Fingern ab. „Emil hat was fürs Leben dazugelernt. Und ich habe Emil geküsst.“
„Ich hab's doch die ganze Zeit gesagt!“, feixte Sonia. „Und du hast es dauernd geleugnet, dass du in Emil verschossen warst.“
Lilians Wangen färbten sich rosa. „Ach war ich das?“, blaffte sie Sonia an. „Und wenn schon, dass ist nicht der richtige Zeitpunkt, um das jetzt zu verkünden!“
Sonia kicherte daraufhin nur. „So innig wie ihr euch geküsst habt. Denke ich, ja das könnte schon sein.“
Daraufhin verpasste Lilian ihr einen Knuff in die Seite und Sonia war ruhig.
„Sonia, warum trägst du eigentlich eine Gardine?“, fragte Emil und musterte diese von oben bis unten.
„Ich bin her geschwommen.“
„Geschwommen?“
„Ich bin eine Nixe, schon vergessen?“
Emil nickte verständlich. „Ah.“
„Haben wir damit alles geklärt?“, fragte Marie schnippig.
„Wo sind Richard und Ina eigentlich hin?“

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