Schönheit und das Biest
Wie
konnte sie nur? Wer war eigentlich dieser Kerl? Und was hatte er mit
Marie zu schaffen?
Schnurstracks
lief Emil auf Maries Tisch zu. Er wusste nicht einmal, was er machen
sollte, wenn er da war. Aber war das nicht egal? Er musste einfach
irgendwas tun!
Erst
als Emil dann endlich an Maries Tisch stand, stellte er verwundert
fest, dass der Typ überhaupt nicht mehr da war. Nur Marie saß dort,
den Kopf in den Händen vergraben.
Perplex
sah Emil auf das unerwartete Bild vor ihm. Wo war der Kerl? Emil
hatte schon beschlossen den Mann zu verfolgen, als ein Schluchzen an
sein Ohr drang. Warte. Weinte Marie?
Sie
hob leicht den Kopf. Scheinbar hatte sie Emils Anwesenheit bemerkt
und er erstarrte, als er ihr Gesicht erkennen konnte. Es war Tränen
verschmiert und die schwarze Maskara hatte sich bereits in einer
grauen Schicht unter ihren Augen verteilt.
Für
einen kurzen Moment sah sie Emil direkt an. Dieses Blau ihrer Augen.
Wunderschön. Emil konnte überhaupt nicht den Blick von ihr
abwenden.
Dann
griff sie mit einer plötzlichen Handbewegung nach dem Stoff seines
Parkas und zog ihn zu sich heran. Ihr Kopf verschwand schluchzend
irgendwo in seiner Magengegend.
„Was
ist denn passiert?“, fragte Emil zögernd.
Doch
Marie antwortete nicht und schluchzte derweil einfach weiter. Emil
sah ihr nur dabei zu, wie sie die zitternden Hände in seine Jacke
grub. Er wusste einfach nicht, was er in so einer Situation tun
sollte. Sollte er nach dem Typen fragen? Nachher wüsste sie, dass er
sie beobachtet hatte. Vielleicht bemerkte sie es ja auch nicht. Aber
er wusste nicht, was er sonst sagen sollte. Ein wird-schon-wieder?
Alles klang doof. Er würde sie einfach fragen, irgendwas. Emil
wollte gerade den Mund öffnen, da war sie aufgesprungen, hatte die
Arme um ihn geschlungen und drückte sich bereits gegen seine Brust.
Emils
Muskeln verkrampften sich augenblicklich. Das Blut in seinen Adern
begann zu kochen. Was tat sie da nur? Aber es war so schön. So
schön, sie bei sie zu wissen. Er legte vorsichtig die Arme um sie
und schloss die Augen. Sie war weich. Ehrlich gestanden hatte Emil
sie sich ein bisschen weicher vorgestellt. Sie war sehr zierlich und
dünn, fast zerbrechlich. Emil spürte, dass er sie beschützen
wollte. Vor allen, die ihr weh getan hatten. Er musste sie schützen!
„Kannst
du“, murmelte Marie in sein T-Shirt hinein. „mich nach Hause
bringen?“
Natürlich
konnte Emil das. War ja nicht so schwer, jemanden nach Hause zu
bringen der unentwegt schluchzte.
„Klar“,
hörte Emil sich selbst sagen. „Wo musst du denn hin?“
Marie
sah auf und ein Lächeln war auf ihrem Gesicht zu erkennen. Sie war
so hübsch, wenn sie lachte. Da konnte nicht einmal ihre verschmierte
Schminke etwas daran ändern.
„Emil“,
flüsterte sie sanft und reckte sich. Für einen kurzen Moment
berührten ihre Lippen Emils Wange. „Danke.“
Emil
wollte darauf etwas entgegnen, doch er bekam kein Wort heraus. Sie
hatte ihn geküsst! Nur auf die Wange, aber sie hatte ihn geküsst!
Was konnte er sich mehr wünschen? Das Mädchen, das er liebte, hatte
ihn geküsst! Er war im siebten Himmel.
Marie
und Emil wechselten daraufhin den ganzen Weg bis zu ihrem Haus kein
Wort. Vielleicht lag es einfach daran, dass als Emil sich gerade
überwunden hatte etwas zu sagen, sie bereits davor standen. Sie
verabschiedete sich noch von ihm, dann war die Tür vor seiner Nase
bereits zu.
Erst
auf dem Weg zurück, verflog seine überschwängliche Stimmung
allmählich wieder und wich Kopfschmerzen und einem leichten
Schwindel. Er hatte sich also doch erkältet. Was für ein
beschissenes Wetter!
Marie
hingegen konnte wieder lachen, als sie die Tür hinter sich
geschlossen hatte, denn vor ihr stand derjenige, mit dem sie im
Eiscafé gesessen hatte.
Es
hatte Emil wirklich erwischt. Den nächsten Tag musste er zu Hause
verbringen. Am Zweiten kam Martin bei ihm vorbei.
Emil
war wach und saß aufrecht in seinem Bett. Immer wieder verschwammen
die Worte auf den Seiten des Buches vor seinen Augen, doch er las
tapfer weiter. Er musste doch wissen, was mit dem Schattenmagier
passieren würde. Er durfte nicht sterben!
Er
schreckte auf, als Martin mit einem Mal vor ihm stand.
„Ich
wollte mich nicht rein schleichen.“ Martin ließ sich auf das Bett
sinken. „Zweiter Krankenbesuch in zwei Wochen. Was machst du die
ganze Zeit nur?“
„Keine
Ahnung. Bin wohl besonders anfällig.“ Emil zuckte mit den
Schultern. „Wie war's in der Schule?“
„Nichts
Besonderes. Aber hey! Marie hat nach dir gefragt.“ Es klang
beinahe, als wollte Martin es ihm auf die Nase binden.
„Und?!“
Emils Müdigkeit war mit einem Mal verschwunden und erwartungsvoll
sah er Martin an.
„Ich
habe gesagt, dass du wahrscheinlich krank bist.“
„Und
was hat sie gesagt?“
„Dass
ich dir gute Besserung ausrichten soll.“ Emil feierte sich bereits,
als Martin grübelnd hinzufügte: „Und sie hat gefragt, ob es denn
etwas ernstes sei.“
„Ja
und? Ist was damit?“
„Ich
weiß nicht.“ Die Sorge stand Martin ins Gesicht geschrieben.
„Achso.
Ja, natürlich. Ich habe sie vorgestern getroffen und habe sie nach
Hause gebracht“, erzählte Emil ihm stolz.
„Das
meine ich nicht.“
„Eifersüchtig?“,
stichelte Emil grinsend.
„Nein!“
Dann wurden Martins Gesichtszüge wieder ernster. „Vielleicht bin
ich auch einfach nur vorsichtig geworden, nach der Sache mit Lilian.“
„Ja,
ich auch. Ich küsse sie jetzt nicht mehr.“
„Wolltest
du sie nicht am Mittwoch treffen? Wie ist es gelaufen?“
„Klasse.
Sie ist nicht sauer auf mich. Sie mag mich und komischerweise hielt
sie es für nötig mir zu sagen, dass sie lesbisch ist.“ Emil
lachte leicht auf und Martin grinste ebenfalls.
„Ich
dachte du magst verrückte Mädchen. Dein Beuteschema.“
„Wegen
Evelyn? Mann das war vor 5 Jahren!“ Emil konnte sich noch zu gut an
das kleine Emomädchen erinnern, mit dem er fast zusammen gewesen
war.
„Nicht
deshalb. Ich dachte nur, vielleicht schaffst du's ja 'ne Lesbe zu
bekehren?“
„Lilian
interessiert mich aber nicht!“ Er ließ sich rücklings aufs Bett
fallen. „Für mich gibt es nur Marie.“
„Du
guckst auch zu viele Soaps.“
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