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Dämonen und so - Kapitel 22


Erkenntnis


Es war erstaunlich, wie schnell Lilian Maries Schwerthieben ausweichen konnte. So etwas hatte Emil nur in Filmen gesehen.
Er hatte es aufgegeben die beiden Mädchen davon abzuhalten sich zu bekämpfen, denn keine von ihnen hatte auf seine Rufe gehört und so starrte er sie einfach an, während sie sich quer durch das Wohnzimmer schlängelten, Lilian immer rückwärts und Marie hinterher. Nur ab und an sprintete Lilian nach vorne, um Abstand zu gewinnen.
Auch wenn Lilian keine Waffe trug, so schien sie die Klinge mit bloßen Händen abwehren zu können. Hielt sie die Hand direkt in den Schlag, stoppte die Klinge einige Zentimeter von ihrer Hand entfernt und Marie musste sie zurück ziehen und erneut zu Hieb ansetzten.
Maries Hiebe wurden immer stärker, sodass Lilian sie bereits mit beiden Händen stoppen musste. Ein besonders harter Schlag zwang Lilian in die Knie, doch anstatt zum erneuten Schlag auszuholen drückte Marie stärker gegen Lilians Abwehr.
„Ich habe keine Lust mehr auf deine Spielchen, Lilian.“ Maries Stimme war eiskalt und hatte nichts mehr von dem zuckersüßen Tonfall, den sie sonst anschlug.

„Was für Spielchen?“, fragte Lilian außer Atem und hatte Mühe gegen den Hieb standzuhalten.
„Das alles ist nur ein Spiel. Für dich wie für mich. Nur, dass du verlieren würdest“
„Es ist kein Spiel! Es ist mein Ernst!“, rief Lilian und stieß Marie zurück, die einige Schritte rückwärts stolperte.
Ein merkwürdiges Grinsen breitete sich auf Maries Gesicht aus, dass Emil so von ihr nicht kannte. „Meine Güte, Lilian hör auf das Unschuldslamm zu spielen. Alles was du hier tust, machst du doch aus reiner Selbstgefälligkeit. Dir geht es nicht um Emil oder mich. Es geht dir nur um dich. Nur weil du dich in Emil verknallt hast, willst du nicht, dass er mir hilft. Nur weil du ihn nicht haben kannst, willst du, dass ihn keine kriegt. Du bist die egoistischte Person die mir je unter gekommen ist. Und wie du dich selbst verherrlichst mit deinen ach so guten Absichten. Du bist der erbärmlichste Dämon, den ich je gesehen habe.“
Lilian ballte die Fäuste. „Ich habe gerade erst angefangen“, zischte sie ohne überhaupt auf Maries Worte einzugehen und zum ersten Mal in diesem Kampf griff sie selbst an und versuchte Marie mit ihren Fäusten zu erwischen, was Marie geschickt abblockte.
Emil musste diese Worte erst einmal verdauen. Warum sollte Lilian in ihn verliebt sein? Sie war doch lesbisch. Oder etwa nicht?
Wie Schuppen fiel es ihm von den Augen. Er war immer davon ausgegangen, dass sie das alles nur tat, um sich bei ihm für den Zwischenfall auf der Party zu entschuldigen. Nie hätte er gedacht, dass sie ernsthaft an ihm interessiert hätte sein können. Erst jetzt wurde ihm klar, wie Übel das hätte enden können, wenn er sie ein weiteres Mal geküsst hätte und Ina nicht dazwischen gegangen wäre.  Wenn Lilian es nicht vor ihm verheimlicht hätte. Vielleicht würde er dann nicht mehr hier stehen.
Seine Knie wurden weich. Das Ganze war ernster als er gedacht hatte. Beide Mädchen waren fest entschlossen diesen Kampf auszutragen, dabei verstand Emil überhaupt nicht warum sie kämpften.
Krachend fiel das Sofa um, als Lilian sich beim Abstoßen von der Lehne verschätzte. Sie stolperte, rappelte sich aber direkt wieder auf.
Das Geräusch feuchter Schritte vom Flur her, wurde lauter, als der dumpfe Schlag des Sofas verflog. Doch weder Lilian noch Marie schienen sich zu kümmern.
Nur Emil wandte den Kopf und sah Sonia in eine Gardine gewickelt herbei eilen. Sie war am ganzen Körper durchnässt und Emil frage sich noch warum sie eine Gardine trug, als sie plötzlich stehen blieb und ihre Augen sich vor Schreck weiteten.
„Lilian“, stieß sie entsetzt aus und ihre Stimme war nicht mehr, als ein Flüstern.
Krachend fuhr die Klinge auf die Küchentheke und brach dicke Stücke aus der Marmorplatte heraus. Lilian änderte blitzschnell die Richtung und rannte in die gegenüberliegende Richtung.
Emil folgte ihrer Bewegung. Mit Schrecken stellte er fest, dass genau in dieser Richtung ein Mann stand, in den Lilian direkt hinein lief. Doch bevor Emil den Mund öffnen konnte, um sie zu warnen, stieß sie gegen ihn und er packte sie mit Leichtigkeit.
Lilian wand sich noch, doch sein Griff schien so fest zu sein, dass sie dagegen nicht ankam. Er packte sie von hinten, sodass sie nur noch Hilflos in seinen Armen hing. Nicht einmal ihren Kopf konnte sie bewegen. Emil erkannte den Mann sofort.
Es war der Typ aus dem Eiscafé, der auch Lilian in seine Wohnung verfolgt hatte.
Hatte Marie nicht gesagt, dass es nur irgend ein Typ gewesen war? Emil hatte überhaupt nicht mehr daran, gedacht, dass er auch dort gewesen war. Marie hatte ihn eiskalt angelogen, und er war so geblendet gewesen, dass er es nicht bemerkt hatte.
Erst jetzt stellte Emil fest, dass er aus seiner passiven Beobachterhaltung in Angriffsposition gewechselt war. Er wollte instinktiv auf den Mann zustürmen, als ihn jemand am Arm festhielt.
Verwundert wandte Emil sich um, und erkannte Martin, der Emil zulächelte. Erleichtert, dass es nur Martin war, warf Emil einen besorgten Blick zurück auf Lilian und dann wieder zurück zu Martin. „Was geht hier vor?“, fragte Emil und merkte wie seine Stimme zitterte.
„Keine Sorge, Emil.“ Martin legte ihm die Hand auf die Schulter, doch Emil sah ihn nur unverständlich an. Dann trat Martin vor und ließ Emil wie ein Schluck Wasser in der Kurve stehen.
„Was war mit unserer Abmachung Marie?“
Marie, die über das Auftauchen des Mannes scheinbar genauso überrascht, wie alle anderen schien, wandte sich an Martin und zuckte sanft lächelnd die Schulter:
„Welche Abmachung?“
„Ich hatte gesagt keine Hexereien. Aber du konntest es mal wieder nicht lassen.“
„Ich musste sicher gehen, dass es auch wirklich funktioniert.“ Marie verzog die Lippen zu einem Schmollmund. „Du hast dich ja so undeutlich ausgedrückt.“
Ein spitzer Schrei gefolgt von einem dummen Schlag beendete das Gespräch augenblicklich und ließ beide ruckartig die Köpfe wenden und auch Emil sah hinüber zu der Stelle, von der der Schrei gekommen war.
Es dauerte etwas bis Emil verstand was gerade passiert war. Lilan hatte sich irgendwie aus dem Griff des Mannes befreit und versuchte ihm nun den Arm zu verdrehen. Dies gelang ihr mäßig, da er viel stärker war als sie und so hatte er innerhalb kürzester Zeit den Spieß umgedreht. Lilian musste einige harte Schläge einstecken. Der Kampf, den Lilian zuvor mit Marie geführt hatte, wurde nun zwischen den beiden weiter ausgetragen.
Sonia lag wimmernd auf dem Boden und versuchte sich aufzurappeln. Sie musste versucht haben den Mann anzugreifen, wodurch sich Lilian hatte befreien können.
Doch noch bevor Emil sich bewegen konnte, um ihr zu helfen, war Martin schon losgestrümt. Im Laufen drehte er sich nur kurz um und rief Emil zu: „Du musst hier weg!“
Wie aus dem Nichts stand Ina plötzlich neben Emil und packte seinen Arm. Sie trug eine knallpinke Regenjacke, was der Situation eine ungewollte Komik verlieh. „Er hat Recht. Du bist in Gefahr. Wir müssen hier weg.“
Sie zog ihn für Ina-Verhältnisse bemerkenswert unrabiat in Richtung Tür, auch wenn sie nicht einmal darauf achtete, ob Emil ihr folgte und er so unbeholfen hinter ihr her stolperte. Er folgte ihr wie aus Reflex durch die Haustür in den Vorgarten. Der Boden war vom Regen durchweicht und klebte an seinen Schuhen fest und Regen prasselte auf ihre Köpfe nieder. Der kalte Schauer, ließ Emils Kopf schlagartig klar werden.
„Warte mal“, sagte er, doch Ina hörte ihn überhaupt nicht.
„Warte!“, wiederholte Emil eindringlich und riss sich von ihrer Hand los. „Was geht hier vor? Warum ziehst du mich weg?“
Ina drehte sich endlich um und sah ihn mit großen Augen an, dann sagte sie in einem Ton, als wäre dies selbstverstänlich: „Du bist in Gefahr, Emil! Marie ist eine landesweit gesuchte Serienkillerin. Sonia und Martin wollten dich vor ihr retten.“
„Und das hast du ihnen geglaubt?!“, brach es aus Emil hervor, der Ina an den Schultern packte und schüttelte.
„Ehrlich gesagt? Nein“, entgegenete sie daraufhin kleinlaut. „Ich glaube, dass es viel eher etwas mit Vampiren zu tun hat. Vielleicht ist Marie ein Vampir.“
„Sie ist eine Hexe!“
Ina sah ihn kurz verständnislos an. Erst noch einigen Sekunden erhellte sich Inas Miene zu einem freudigen Strahlen. „Ich wusste, dass es Übersinnliches gibt. Ich wusste es.“
„Aber, das weiß ich doch sogar von dir!“
„Was weißt du von mir?“ Ina legte den Kopf schief.
Emil stockte. Sie erinnerte sich nicht mehr. An den Sonntag an dem sie ihm und Martin erzählt hatte, dass Marie eine Hexe und Lilian ein Succubus war. Was hatte sie sonst noch alles vergessen?
„Und Lilian? Was ist mit Lilian? Erinnerst du dich daran, dass sie ein Dämon war? Du hast es in einem Buch nachgeschlagen. Du hast gesehen, was sie anrichten kann. Du warst bei mir im Schlafzimmer.“
„In einem Buch?“, wiederholte Ina leise, sie dachte offensichtlich nach. „Ja... ich war in der Bibliothek gewesen. Es war über... über...“
Emil wollte ihr auf die Sprünge helfen, doch biss sich im letzten Moment selbst auf die Lippe. Sie musste sicher selbst darauf kommen.
Einige Sekunden herrschte Denkpause.
„Sie ist eine Succubus!“, rief Ina. „Wie konnte ich das vergessen?“
„Hast du sonst noch etwas vergessen?“
„Woher soll ich wissen, was ich vergessen habe, wenn ich nicht weiß, was du weißt?“
Da hatte sie Recht. „Irgendwas, was du mir sicher erzählen wolltest, aber noch nicht dazu gekommen bist.“
„Warte.“ Man konnte Ina praktisch dabei zu sehen, wie sich die Zahnräder in ihrem Kopf langsam drehten. „Dieser Mann! Ich habe ihn gesehen, dann ist er vor mit weggelaufen und dann... dann weiß ich nichts mehr.“
„Nichts?“
„Nein, aber er steckt ganz sicher mit Marie unter einer Decke!“
„Das habe ich gerade selbst gesehen...“
„Oh. Stimmt.“, gab Ina kleinlaut zu.
Das erinnerte Emil wieder an die Situation. Lilian war in Gefahr. Martin. Sonia. Nicht er!
Marie wollte nur seine Quelle. Wie schlimm konnte das schon sein? Alles war besser, als das Leben seiner Freunde zu riskieren. Dieser unsinnige Kampf musste ein Ende haben. „Ich geh da jetzt wieder rein!“
„Neeeeeeeiiiin!“, schrie Ina sofort und hielt ihn so fest am Arm zurück, dass Emil meinte, sie versuche ihn auszureißen. „Wenn du da rein gehst stribst du!“
„Haben Martin und Sonia dir das gesagt? Ina, die Serienkillergeschichte ist vorbei!“ Aufsteigender Ärger schwang Emils Stimme mit. „Jetzt lass mich los!“
„Aber....“ Ina rang nach Worten, während ihre Hand keine Anstalten machte ihn loszulassen.
„Was?“, blaffte Emil sie an.
Ina war trotz des Regens knallrot angelaufen. „Ich...“, begann sie zögernd. „Ich liebe dich.“
„Das ist ein Scherz, oder?“
„Nein“, protestierte Ina sofort und war zu ihrem sonstigen Tonfall zurückgekehrt. „Ich weiß, wie blöd das jetzt klingt. Die beste Freundin des Protagonisten ist in ihn verliebt und gesteht es ihm in der dramatischsten Szene.“
Dass Ina nicht seine beste Freundin war, verkniff Emil sich lieber. So nervig sie manchmal war. Ihre Gefühle wollte er nicht verletzen. Und so wusste er noch weniger, was er darauf antworten sollte. Er hatte immer gedacht, sie wollte ihn ärgern, damit dass sie ihm dauernd auf den Geist ging. Aber sie hatte nur seine Nähe gesucht. Das war ihre Art zu zeigen, dass sie ihn mochte.
„Ina“, begann Emil ohne zu wissen, wie der Satz weiter gehen sollte. „Das ist sehr lieb von dir, aber ich bin hier nicht der Protagonist, denn das hier ist keine Geschichte und...“ Jetzt musste er nur noch geschickt das Thema wechseln.
„Du liebst sie, oder?“, fragte Ina im Ton einer betrogenen Ehefrau.
„Wen?“
„Du weißt wen ich meine.“
„Nein, ich weiß es wirklich nicht.“
„Du bist bescheuert!“ Inas Faust traf Emil schmerzhaft in die Schulter. „Wenn du unbedingt da rein gehen willst, dann geh! Geh und werd glücklich!“ Ihre Hand war immer noch geballt, aber sie machte daraufhin keine Anstalten, noch einmal nach Emil auszuholen. Ihre Gesicht war verzerrt, als sie gegen die Tränen ankämpfte. „Geh!“
Das ließ Emil sich nicht zweimal sagen. So Leid ihm Ina tat, er konnte nichts für sie tun. Es gab Wichtigeres und das wartete drinnen auf ihn.

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