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Alice - Kapitel 1


In der Hölle

Ein Schauer lief ihr über den Rücken, als sie den dunklen Flur betrat. Der schwarze Stein, der sich über Boden und Wände erstreckte war kalt und feucht, als ihre Finger ihn berührten. Doch sie verschwendete keine Zeit mit der Begutachtung des maroden Bauwerks. Sie setzte ihren Weg fort, weiter in die Dunkelheit hinein, während ihre Schritte bedrohlich an den Wänden widerhallten.
Neben ihren Schritten hörte sie Wasser tropfen, wie es in rinnsalen die Wänder hinunter kroch. Sie musste sich bereits tief im Berg befinden, tiefer, als sie gedacht hatte gehen zu müssen.
Je tiefer die Schwärze um sie herum wurde, desto klarer wurde ihre Sicht. Ihre Augen brauchten immer ihre Zeit, um sich daran zu gewöhnen, doch dann sahen sie in der Dunkelheit mehr, als am Tage.
Als sie um die Ecke bog langte sie an ihren Oberschenkel und fühlte sogleich den kalten Stahl ihrer Waffe. Geräuschlos zückte sie diese und hielt sie schützend in den nächsten Gang. Doch dieser war genauso leer, wie der, den sie gekommen war.
Alice huschte um die Ecke und eilte weiter. Je näher sie kam, desto zu vorsichtiger wurde sie und unvorsichtiger.
Ihre Ohren waren gut und so hörte sie die kleinsten Veränderungen in der Umgebung. Und so hörte sie auch, wie in einiger Entfernung, das Fließen des Wasssers unterbrochen wurde. Es waren Schritte.
Unbemerkt hielt sie inne und verschwand in der dunkelsten Ecke des Ganges.
An der nächsten Weggabelung erkannte sie wie zwei Gestalten vorrüber gingen. Sie bemerkten sie nicht, dass wusste sie. Alices Augen waren besser, als die der meisten Schattenwesen und so war sie ihnen sogar in der Dunkelheit überlegen.

Der Meister musste das geahnt haben, als er sie damals ausbildete. Aber hatte er geahnt, dass sie einmal hier landen würde? In der gefährlichsten Gruft des ganzen Universums?
Ihr Atem war ruhig. Sie war angespannt, doch fühlte sich sicher. So sicher wie noch nie.
Am Anfang war sie bei jedem Auftrag aufgeregt gewesen, hatte sich durch Kleinigkeiten bemerkbar gemacht. Doch das war lange vorbei. Die Zeit hatte sie abgehärtet und selbst dieser große Auftrag ließ sie beinahe völlig kalt. Das einzige, das sie noch reizte, war es so weit in dieses altertümliche Bauwerk vorzudringen.
Es war ein Tempel aus schwarzem Stein, verwinkelt mit riesigen Hallen voller Schätze und Kostbarkeiten. Altären, die in altem Blut getränkt waren, Opferschwerter, alle Waffen der früheren Zeit reichlich verziert mit Runen und alten Geschichten.
Es reizte sie eines dieser antiken Schwerter mitzunehmen und sich zu Hause aufzuhängen. Doch es würde geräuschvoll verraten, das wusste sie. Die Kostbarkeiten mussten warten, bis sie ihren Auftrag erfüllt hatte.
Sie hatte die Tempelhalle bereits hinter sich gelassen und war nun in einen noch älteren Teil gelangt, dessen Gänge schmal und uneinsichtig waren. Hier patroullierten ab und an Schattenwesen, deshalb galt Vorischt.
Doch Alice hatte es im Gefühl. Sie war ihrem Ziel so nahe, dass sie es fast greifen konnte.
Der Weg den sie entlang schlich wurde immer enger. Wenn sie jetzt jemandem begegnete war es vorbei.
Immer hastiger bewegte sie sich vorwärts, doch ihre Bewegungen waren kontrolliert. Der Boden war rutschig, doch sie schwebte darüber, wie eine Grazie. Dann wurde der Gang mit einem Mal imemr breiter.
Sie stoppte, als sie sich hinter dem Gang erneut eine riesige Halle auftat.
Sie musste falsch abgebogen sein, doch sie, doch sie war sich so sicher richtig gegangen zu sein.
Ihr Gehör sagte ihr, dass die Halle leer war, zumindest bewegte sich nichts in ihr, außer das Wasser, das immer noch langsam die Wänder hinuntertropfte. Nicht einmal Getier wagte es noch hier unten hin.
Je weiter sie in die Halle hineinschritt, desto mehr beschlich sie die Vermutung, dass sie sich möglicherweise verlaufen hatte. Hier war nichts, noch passte diese Halle mit ihren Schwarzen Säulen in das Szenario, das im Inneren des Bergs hatte auf sie warten sollen. Die Hallen befanden sich weiter außerhalb, leicht erreichbar über die Bergpässe und einige Gänge. Selbst die Grabkammern lagen nicht so tief. War, was sie suchte etwas hier versteckt?
Nach einigen Schritten durch die Halle blieb sie stehen und ging in die Knie. Das Wasser floß hier stärker durch die Ritzen des Steinbodens als in anderen Räumen.
Vorsichtig legte sie ihre Hand auf den Boden. Als sie die Hand wieder erhob wunderte sie es nicht, dass ihre Hand plötzlich einen dunklen Farbton angenommen hatte. Blut. In diesem Raum floss Blut.
Ein erdrückendes Gefühl umfing sie. Sie hatte einiges gesehen. Doch dies hier schien unmöglich.
Es gab Legenden, dass dieses Tempelsystem von einem ausgstorbenen religösen Volk erbaut wurde, die zwar eine Vorliebe für Opfergaben und Reichtum hatten, aber die Geschichten darüber, dass in diesem Berg die Hölle zu finden war, hatte sie nie geglaubt. Bis zu diesem Tag.
Ein plötzliches Geräusch riss sie aus ihrer Starre. Schnelle Schritte, die auf sie zukamen.
In Sekunden schnelle hatte sie ihre Waffe gezügt. Einige Schüsse in die Richtung. Ausfall Schritt. Ein Schatten kam stumpf neben ihr auf. Erneut schoss sie, doch es griff erneut an. Wie ein wildes Tier. Sie konnte ihm ausweichen. Zwei weitere Schüsse und ein Jaulen ging durch den Raum und hallte um ein vielfaches an den Wänden wieder.
Doch erst der Aufprall auf dem Boden bestätigte Alice, dass sie gewonnen hatte.
Das war zu einfach gewesen, dachte sie sich und stieg mit gezückter Pistole über das Wesen.
Sein massiger Körper lag regungslos auf dem Boden, während die dunkel Flüssigkeit an ihm vorbeifloss.
Es war ein Schattentiger, wie man ihm oft im Gebirge hier fand. Doch er war um einiges größer. Sein Fell war nicht mehr schwarz sondern von einem grau. Alice vermutete, dass es silber war, doch in der Dunkelheit erkannte sie es nicht.
Es war einer der legendären Silbernen Könige, wie man sie nannte. Alte Wesen aus früheren Zeiten. Wahrscheinlich war er hiergewesen, um etwas zu bewachen. Doch die Technik draußen hatte sich wieter entwickelt, sodass er ihrer Schusswaffe nicht lange stand gehalten hatte.
Fast empfand sie etwas Mitleid für dieses Wesen aus den Schatten, dass so lange hier unten verbracht hatte.
Doch sie hatte keine Zeit für Sentimentalitäten. Es konnte nicht mehr weit sein. Ein Silberner König war schon einmal ein gutes Zeichen.
Die Halle besaß nur einen einzigen Altar. Das machte die Suche einfacher. Doch wie Alice schnell feststellte, war dieser leer. Einiges klopfen an den Seiten, brachte jedoch genauso wenig den gewünschten Effekt, wie Tritte oder Schläge.
Bis auf diesen Altar war die Halle leer. Wo sollte es als sein?
Langsam ließ sich Alice auf den Boden sinken. Sie musste sich anders auf die Spurensuche begeben. Die Schattenwesen, die das Heiligtum bewachten hatte sie bewältigt, sogar einen Silbernen König. So leicht gab sie nicht auf, auch wenn das was sie tat gefährlich werden konnte.
Sie würde sich in eine Art Trancezustand versetzen aus dem sie einige Zeit nicht mehr herauskommen können würde. In diesem Zustand konnte sie jedoch ganz mit ihrer Umgebung verschmelzen. Sie würde zum Blut werden, dass die Wände und den Boden benetzte. Sie würde zum massiven Stein werden, der diese Halle formte. Diese Technik hatte der Meister ihr beigebracht und sie würde sie anwenden.
Alice zog ihre Schuhe und Socken aus. Mit Unbehagen spürte sie die dunkle Flüssigkeit unter ihren Fußsolen. Ihre Hände legte sie ebenfalls flach auf den Boden. Dann schloss sie die Augen.
Es begann leise murmelnd, dann verfiel sie in eine Singsang. Die sprach die Worte des Meisters in einer alten Sprache, die nicht einmal sie verstand und kannte. Doch in ihren Ohren wuchsen ihre Worte zu Bildern, zu Gefühlen und ehe sie sich versah, war sie in eine andere Welt hinüber getreten und war zu dem Stein geworden, der die Halle war, zu dem Wasser, das an den Wänden herablief. Sie spürte das Alter dieses Ortes, seine Geschichte und merkte, dass dieser Raum wirklich leer war.
Hier war nichts. Kein Stein der aus der Reihe fiel, keine unebenheit. Die ganze Halle war perfekt bis zum winzigsten Kiselstein. Eine große Einheit aus schwarzem Stein. Ein unvergleichbares Bauwerk.
Eine plötzliche Erschütterung ließ sie schlagartig ihre Faszination für dieses Ort vergessen. Es tat weh, so schwer war die Erschütterung. Was war das?
Hastig sah sie sich mit ihrem inneren Auge um und erkannte jemanden, der die Halle betrat, von der Seite aus, aus der auch sie gekommen war. Trotz ihrer emotionalen Sicht erkannte sie ihn.
Sofort versuchte sie sich mit aller Gewalt aus ihrer Trance zu befreien. Zog und zerrte an dem Gebälk, dass sie gefangen hielt. Doch es gab nicht nach und schien sie nur noch tiefer hinein zu ziehen. Der schwarze Stein tat sich hinter ihr auf und zog sie immer tiefer in seine Dunkelheit hinein.
Der Mann gekleidet in eine blaue Uniform hatte bereits den Weg zu ihrem Körper genommen. Sie konnte nicht anders, als ihm dabei zuzusehen, wie er ihre leblosen Glieder packte und nochzog.
Sie empfand Schmerz. Unendlichen Schmerz. Sie musste zurück. Augenblicklich sonst.
Ihre Gedanken versagten. Ihre Schreie blieben stumm. Sie würde sterben, das wusste sie in diesem Augenblick. Wenn man Körper und Geist trennt, kann der Körper nicht mehr weiterleben. Sie war tot.

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