Es
gab drei Dinge, deren Emil sich absolut sicher war: Erstens: die
Musik war seit Anfang der Party scheiße.. Zweitens: der Barkeeper
war ein Kumpel von Martin, der Emil, und zwar reichlich, Bier und
anderen Alkohol kostenlos ausgeschenkt hatte. Und drittens: Emil
wartete sehnsüchtig darauf, dass Marie endlich auftauchen würde.
Jedoch
war er sich nicht einmal sicher, ob er sie schon gesehen hatte. Denn
ohne Brille erkannte er gerade mal was knapp einen Meter um ihn herum
passierte. Alles andere verschwamm vor seinen Augen, auch wenn er
sich nicht sicher war, ob der Alkohol dabeinicht doch eine größere
Rolle spielte. Er hatte gerade beschlossen, noch einmal nachzuzählen,
wie viele Gläser Bier er bereits hatte. Er versuchte es an einer
Hand, die, wie er schnell merkte, nicht ausreichte.
Dann
merkte Emil, wie jemand auf ihn zukam. Er blinzelte und rieb sich die
Augen. Das Licht machte es nicht gerade einfacher, zu erkennen, wer
es war. Doch als er vor ihm stand, erkannte er Martin.
„Sie
ist hier“, schrie Martin mit heiserer Stimme gegen die Musik an.
„Wer?“
„Na
Marie!“
„Echt?“
„Würde
ich's sonst sagen?“
„Wo
ist sie?“
Martin
deutete hinter sich und Emil sah daraufhin in die Richtung, doch er
konnte aufgrund seines eingeschränkten Sichtfelds nicht erkennen.
„Bist
du dir sicher, dass sie es ist?“, fragte er unsicher.
„Hundert
Prozent. Sie ist mit Steffi und Lisa hier.“
Emil
hätte sich am liebsten mit der Hand gegen die Stirn geschlagen. Das
konnte doch nicht sein. Jetzt war sie auch noch mit Anhang hier.
Martin hatte seinen Blick bemerkt und fügte hinzu:
„Vielleicht
kannst du sie irgendwie weglocken. Genau! Frag sie, wo die Theke ist!
Und schau dabei nicht so besoffen drein wie jetzt, sonst kauft sie
dir das nicht ab.“
Emil
warf ihm einen bösen
Blick zu und rutschte vom Stuhl hinunter. Erst jetzt merkte er, dass
er doch etwas wackelig auf den Beinen war. Er setzte sich in Bewegung
und hörte noch, wie Martin ihm ein viel Glück zurief. Das würde
ihm genauso wenig helfen, wenn er ihr gegenüber stehen würde. Was
sollte er ihr nur sagen?
Etwas
unbeholfen quetschte Emil sich durch die Leute, die es doch
tatsächlich schafften die ganze Tanzfläche stehend zu füllen. Sie
tanzten nicht einmal, sondern schnatterten nur miteinander und
wippten, wenn's hinkam, vielleicht einmal mit dem kleinen Zeh. Nicht,
dass er gerne getanzt hätte, aber sie behinderten doch ungemein.
Als
er endlich wieder etwas Platz zwischen den ganzen verschwitzten
Menschen hatte, versuchte er sich umzusehen. Er versuchte sich zu
konzentrieren, doch soweit er sehen konnte, war hier keine Marie zu
erkennen. Zunächst ärgerte er sich noch, bis er plötzlich
erschrak, als ein schmaler Schatten auf ihn zukam, der wie Marie
aussah. Das war der Punkt, wo sein Kopf aussetzte und seine Muskeln
sich verkrampften.
„Ich
weiß, die Frage ist doof, aber weißt du wo die Toiletten sind?“
Das war nicht Maries Stimme und Emil atmete erleichtert auf. Das
Mädchen stand nun direkt vor ihm und er konnte ihr Gesicht erkennen.
Ihre Augen waren leuchtend grün und ihr Haar schwarz wie die Nacht.
Zunächst wunderte Emil sich über diese unnatürlichen Augen, doch
dann fiel im ein, dass es eine Kostümparty war. So bestaunte er die
realistische Umsetzung, bis ihm auffiel, dass er sie bereit eine
ganze Zeit anstarrte.
„Ganz
ehrlich weiß ich das selbst nicht so genau“, antwortete er hastig.
„Aber ich glaube, die sind dort drüben.“
„Dankeschön.“
Und das Mädchen war so schnell weg wie es gekommen war.
Emil
rieb sich mit der Hand durchs Gesicht. Seine Augen taten ihm weh und
die Müdigkeit überkam ihn. Eigentlich konnte er doch einfach nach
Hause gehen, er würde Marie hier eh nie finden. Doch als er aufsah,
traf ihn der Schlag.
Marie
stand plötzlich direkt vor ihm.
„Emil?
Hätte dich fast nicht erkannt!“
„Was
machst du hier?“, war das Erste was ihm einfiel und er wusste wie
dumm es war.
„Ich
bin eigentlich gerade auf dem Weg zur Mädchentoilette.“ Sie
lächelte sanft und Emil merkte wie seine Knie weich wurden. Er sah
an ihr hinunter. Sie trug eine weiße Toga, an die sie
Plastikweintrauben geheftet hatte.
„Du
siehst klasse aus“, hörte er sich plötzlich selbst sagen und
versuchte krampfhaft den Blick von ihrem wohlgeformten Busen
abzuwenden.
Als
er nun in ihre Augen sah, wurde ihm dabei noch mulmiger.
„Dankeschön.
Ich denke du weißt, was es darstellen soll.“
„Natürlich.“
Aphrodite. Was für ein dummer Zufall. „Aber mit den Weintrauben
siehst du eher aus wie Dyonisos.“ Emil hätte sich am liebsten
selbst geohrfeigt. Wie konnte er dieses hübsche Wesen nur mit dem
Gott des Weins und der Ekstase vergleichen?
„Wie
wer?“ Marie setzte dieses gekünstelte Lächeln auf, wie Martin es
nannte, doch Emil fand dass sie damit nur noch hübscher aussah.
„Ach
vergiss es. Ich glaube die Toiletten sind übrigens da drüben.“ Er
deutete in die Richtung, in die das Mädchen vorher verschwunden war.
Auch wenn er immer noch keine Bestätigung dafür hatte, dass es die
richtige Richtung war.
„Das
weiß ich doch. Also man sieht sich.“
Und
schon war sie wieder in der Menschenmasse verschwunden. Emil spürte,
wie sein Herz immer noch in seiner Brust raste.
Doch
was hatte das Ganze jetzt gebracht? Er hatte einige Worte mit ihr
gewechselt und sie hatte ihn nicht ausgelacht, weil er ein Frosch
war. Die Bilanz war doch positiv.
Mit
Beinen wie aus Gummi machte er sich auf den Weg zurück an die Bar,
zumindest glaubte er, dass dies der Weg zurück war. Die anderen
Leute schienen sich so zu bewegen, dass er es doch schaffte, fast
jeden anzurempeln. Nur wo war jetzt die Bar hin? Er blickte sich
hilfesuchend um. Gerade war sie doch noch da gewesen!
„EMIL?“,
hörte er plötzlich eine Stimme neben sich quietschen. Als er sich
umdrehte stand Ina vor ihm und schob sich gekonnt die Brille zurück
auf die Nase. Er fragte sich noch, warum sie das tat, als sein Blick
auf ihrem Kostüm hängen blieb. Was sie darstellte erkannte Emil
nicht, doch sie trug einen langen Rock und ein Korsett, das ihre
Brüste nur noch üppiger machte. Warum dachte er schon wieder über
Brüste nach?
„Oh
Mann, du siehst gut aus!“, rief sie. Emil starrte in ihre Richtung,
aber ihr Gesicht richtig scharf stellen, konnte er nicht mehr.
„Sag
bloß du suchst jetzt auch noch das Mädchenklo?“, fragte er, doch
eine Antwort bekam er nicht mehr.
„Oh
mein Gott, du bist ein Frosch!“ Ina fing haltlos an zu lachen und
konnte sich nicht mehr fangen.
„Was
ist daran so lustig?“
„Ach
nichts.“ Sie holte tief Luft und klopfte ihm auf die Schulter.
„Zuckersüß!“
Was
bitte? Was war zuckersüß? Emil verstand überhaupt nicht mehr,
wovon sie redete. Es war auch egal, er wollte nur eins wissen: „Weißt
du wo die Bar ist?“
Ina
sah ihn verdattert an, bevor sie in eine Richtung deutete.
„Dahinten!“
Und
bevor sie sich versah, hatte Emil sich durch die Leute hindurch davon
gestohlen.
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