Geliebter
Feind
Richard
brachte das Mädchen dahin zurück, wo er sie überwältigt hatte.
Maries Zauber beschützte ihn vor neugierigen Blicken und so schaffte
er es unbemerkt bis in diese kleine Gasse. Er wusste, dass sobald er
sie hier ablegen würde, der Zauber schnell verschwand. Also musste
er sich beeilen.
Ihr
lebloser Körper glitt auf den Boden. Sie sah so friedlich aus, als
würde sie schlafen. Aber noch stand sie unter Maries Magie. Sie
schlief ruhig und würde sich, wenn sie aufwachte, an nichts mehr
erinnern können.
Er
warf einen letzten Blick auf das bewusstlose Mädchen, bevor er sich
aufrichten wollte. Doch dann regte sich zu ihrem Entsetzen etwas in
ihrem Gesicht. Ohne Vorwarnung riss sie die Augen auf und starrte ihn
mit ihren großen braunen Augen an.
Richard
war wie erstarrt. Er hoffte irgendwie, wenn er sich jetzt nicht
bewegte, würde sie ihn nicht einmal bemerken. Doch anstatt, dass
ihre Augen sofort wieder zu fielen, wanderten sie an ihm hinauf und
hinunter und blieben dann schließlich an seinem Gesicht hängen.
„Ein
hübscher Unbekannter“, murmelte das Mädchen schlaftrunken und
strahlte mit einem Mal über beide Ohren.
Er
starrte sie weiterhin an. Sie starrte zurück. Langsam bekam er es
mit der Angst zu tun. Wer war sie? Hatte
sie wirklich keine magischen Fähigkeiten? Sie hielt ihn mit ihrem
Blick gefangen. Richard kannte das von Marie, wenn sie ihn zu etwas
überreden wollte. Doch dieser Blick hier war anders. Unschuld lag
darin, mehr als Marie ihm jemals vorspielen konnte. Der Blick war
pure Ehrlichkeit und das war das Beängstigenste, was Richard sich
vorstellen konnte.
„Ich
wurde von ...“ Die Stimme des Mädchens wurde immer schwächer, bis
schließlich auch ihre Lider der Müdigkeit nachgaben. Richard erfuhr
nie, was sie hatte sagen wollen, denn sie war bereits wieder in ihren
traumlosen Schlaf gesunken, als er das Geschehene abschüttelte,
aufstand und sie dort liegen ließ.
Das
Ganze ging ihn nichts an. Sie war niemand. Das versuchte er sich
zumindest einzureden.
~*~*~*~*~*~
Es
war bereits früher Abend, als Ina erwachte. Zunächst wusste sie
nicht, wo sie war und fuhr dementsprechend alarmiert hoch, bis sie
dann doch feststellte, dass sie alleine war. Die Gasse, in der sie
lag, war menschenleer.
Als
sie auf sah, bemerkte sie zunächst, das Licht in einigen Fenstern.
Ein Blick weiter nach oben verriet ihr, dass die Dämmerung
angebrochen war.
Sie
wusste weder wie sie hierher gekommen war, noch wo sie war. Ja, was
hatte sie überhaupt davor getan?
So
saß sie grübelnd da. Doch sie kam zu keinem Ergebnis. Ihr Kopf war
so leer, wie sonst nur in Mathematikklausuren. Nur dunkel erinnerte
sie sich daran, heute morgen in der Schule gewesen zu sein. Oder war
das gestern gewesen? Wie spät war es eigentlich?
Ina
kramte nach ihrem Handy und fand es schließlich in ihrer
Umhängetasche zwischen dem Block und den einzelnen Stiften. Der
Inhalt der Tasche ließ darauf schließen, dass sie in der Schule
gewesen war.
Aber
wie spät war es? Das Handydisplay verkündete in pink 17:53 Uhr.
Wenigstens keine entgangenen Anrufe. Nicht einmal eine SMS. Das war
aber auch nicht anders zu erwarten gewesen.
Träge
rappelte sich Ina auf. Sie sollte noch Hause gehen, dachte sie sich.
Schließlich gab es bald Abendessen.
Erst
später, als sie schon längst zu Hause war, erinnerte sie sich
wieder daran, nach der Schule durch die Stadt gegangen zu sein, doch
was wirklich passiert war, war vollständig aus ihren Erinnerungen
gelöscht worden.
~*~*~*~*~*~
„Ich
habe nur noch zwei Wochen und bin keinen Schritt weiter gekommen.“
Marie stocherte genervt in ihrem Salat herum und massakrierte dabei
eine Tomate aus der die blassrote Flüssigkeit spritzte. „Hörst
du? Zwei Wochen! Ich hätte bereits letzte anfangen müssen.“
„Warum
hast du es dann nicht?“, schlug Richard ihr daraufhin vor, worunter
dann aber die Tomate zu leiden hatte.
„Du
weißt, ich brauche diese Quelle. Ohne Sie wird es nicht möglich
sein es herzustellen. Alles
was du anschleppst ist ein Mädchen aus meiner Stufe.“ Marie schob
sich die halb zerdrückte Tomate in den Mund und machte sich daran
den Salat fein säuberlich mit der Gabel zu zerhacken.
„Wer
ist dieses Mädchen überhaupt?“, fragte Richard mit einem Mal,
doch Marie ignorierte ihn:
„Wenn
dieser Seher nicht wäre ...“
„Sie
geht also in deine Stufe?“
„...
und dieser lästige Bund. Es ist als würde Lilian hier am Tisch
sitzen und mir zuhören.“
„Wie
heißt sie?“
„Dieses
Biest.“
„Du
solltest sie einfach töten.“ Richard zuckte mit den Schultern und
Marie starrte ihn unverständlich an:
„Wen?“
„Lilian.“
„Hallo?
Wir sind nicht mehr im Mittelalter. Weißt du wie schwer es ist eine
Dämonenklinge aufzutreiben?“
„Ich
dachte ja nur, wenn dich dieser Bund stört, dann bring es zu Ende.
Du kannst gar nicht verlieren. Die Dämonenjäger gewinnen immer.“
„Wir
reden von Zeiten, wo Dämonenjagen noch ein Hobby war. Aber
mittlerweile sind wir in der Neuzeit angekommen. Heutzutage köpft
man keine Dämonen mehr.“
„Aber
du dürftest es.“
„Ich
warte einfach ab. Sobald ich meinen Plan durchgeführt habe, wird sie
ohnehin früher oder später auftauchen.“
„Du
hast einen Plan?“, fragte Richard verdutzt. „Kommt das Mädchen
auch darin vor?“
„Kannst
du bitte aufhören dauernd von Ina zu reden? Das Mädel geht mir ja
sonst
schon auf den Keks.“
Richard
ließ sich nichts anmerken, aber ein kurzes Grinsen konnte er nicht
unterdrücken. „Also, dein Plan.“
„Was
interessiert dich das? Du hilfst mir einfach, wenn ich dich darum
bitte und den Rest kannst du mir überlassen. Es wird schwer werden,
aber ich glaube mit einer Sache bin ich Lilian und dem Seher
meilenweit voraus.“
„Womit?“
Marie
stand auf, ohne ihren zerstörten Salat noch einmal anzurühren. Ein
Lächeln umspielte ihre Lippen. „Dass Emil hoffnungslos in mich
verknallt ist.“
Kommentare
Kommentar veröffentlichen